Narzisst & Narzisstin: Die Beziehung von Signe (Kristine Kujath Thorp) und Thomas (Eirik Sæther) entspricht einem einzigen Konkurrenzkampf. Dass Thomas aktuell als aufstrebender Künstler zunehmend im Rampenlicht steht, rückt Signe noch spürbarer in den Schatten. Erst versucht sie, die Erfolge ihres Partners kleinzureden. Als sich der Fokus nicht in ihrem Sinne verschiebt und Signe merkt, dass sie Thomas und seinem Künstlerkreis intellektuell und künstlerisch nicht das Wasser reicht, tritt sie in einen ganz eigenen, selbstzerstörerischen Kampf um Aufmerksamkeit: Es beginnt mit einer spontan behaupteten Nussallergie. Als das nicht nachhaltig zieht, ordert Signe ominöse Pillen aus dem Darknet, die massive Hautirritationen provozieren. Schon bald ist Signe entstellt – und ihrem Ziel nah. Was für ein Debüt! Der norwegische Regisseur Kristoffer Borgli bündelt in „Sick of Myself“ eigene Beobachtungen aus dem Leben in eine böse Body-Horror-Satire, die ebenso amüsiert wie verstört. Nichts für Zartbesaitete. Sick!
Sex und Sprache oder Sex gleich Sprache. Mit „Angst vorm Fliegen“ und „Der Teufel in Person: Henry Miller und ich“ rechnete die 1942 geborene Schriftstellerin Erica Jong mit dem amerikanischen Puritanismus und seinen Folgen für den Feminismus und ein glücklicheres Miteinander ab. Kaspar Kasics zeigt in seinem Film „Erica Jong - Breaking the Wall“, worum es Jong ging und geht: Wahrheit und Kreativität statt falscher Zurückhaltung und Romantik.
Lars Eidinger ist einer der präsentesten Schauspieler im deutschsprachigen Raum. Das liegt nicht nur an der Häufigkeit seiner Auftritte im Theater, Kino und Fernsehen. Auch seine ungewöhnlichen Rollen, die er oft expressiv und körperbetont füllt, tragen zu seiner Präsenz bei. Neben Interviews mit Weggefährten (u.a. Isabelle Huppert, Juliette Binoche oder dem Theaterregisseur Thomas Ostermeier) geben in Reiner Holzemers „Lars Eidinger – Sein oder Nichtsein“ viele intime Momente aus Theaterproben in Berlin und Salzburg und Filmdrehs in Paris, in denen er sich öffnet und verletzlich macht, Einblick in Eidingers Arbeitsweise. Interviews mit ihm selber lassen uns an seiner Denkweise teilhaben. So entsteht das Bild eines sensiblen wie extremen Künstlers, der sicher Eitelkeiten hat, aber auch bodenständig und reflektiert ist.
Kim kennt nur biografische Fragmente über das Leben ihrer Mutter Lore: Als jüdisches Kind entkam Lore der Ermordung durch die Nationalsozialisten. Ihre eigene Mutter starb im KZ, der Bruder floh und kehrte nie zurück. Lore zieht Kim und ihren Sohn Tom im Berlin der 1960er Jahre allein groß. Aber Kim rebelliert früh, haut ab. Tom leidet unter Depressionen und begeht Suizid. Zu Drehbeginn ist Lore über 80 Jahre alt, das Verhältnis zur Tochter geprägt von dem, was unausgesprochen blieb. Kim will Antworten, Lore macht dicht. Über dieses Schweigen erzählt Sandra Prechtels „Liebe Angst“ von Erlebnissen so schrecklich, dass ein Leben allein nicht ausreicht, um sie zu verarbeiten. Aber auch von dem lebenslangen und – aller Verletzungen zum Trotz – gelungenen Versuch von Mutter und Tochter, einander nicht zu verlieren.
Außerdem neu in den Ruhr-Kinos: Charly Feldmans Lebensretter-Doku „Sara Mardini - Gegen den Strom“, Robert Schwentkes Philosophen-Satire „Seneca“, Emmanuele Morets Seitensprung-Komödie „Tagebuch einer Pariser Affäre“, Lars Kraumes Kolonialdrama „Der vermessene Mensch“, Chad Stahelskis brachialer Actioner „John Wick: Kapitel 4“ und Benjamin Quabecks und Mette Rank-Tanges Animationsfilm „Überflieger: Das Geheimnis des großen Juwels“.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Der älteste Schüler
Die Filmstarts der Woche
Vorläufige Utopien
Danny Dziuk & Verbündete im Dortmunder Subrosa – Musik 04/24
„Mehr Freude und mehr Liebe, was anderes hilft nicht“
Musikerin Dota über die Dichterin Mascha Kaléko und den Rechtsruck in der Gesellschaft – Interview 04/24
Außerhalb der Volksgemeinschaft
Vortrag über die Verfolgung homosexueller Männer in der NS-Zeit in Dortmund – Spezial 04/24
Lauter träumen, leiser spielen
Rotem Sivan Trio im Dortmunder Domicil – Musik 04/24
Grenzen überwinden
„Frieda, Nikki und die Grenzkuh“ von Uticha Marmon – Vorlesung 04/24
Orchester der Stardirigenten
London Symphony Orchestra in Köln und Düsseldorf – Klassik am Rhein 04/24
Ins Blaue
„Planet Ozean“ im Gasometer Oberhausen – Ruhrkunst 04/24
Glaube und Wissenschaft
Louisa Clement im Kunstmuseum Bonn – Kunst in NRW 04/24
„Ruhrgebietsstory, die nicht von Zechen handelt“
Lisa Roy über ihren Debütroman und das soziale Gefälle in der Region – Über Tage 04/24
Mackie im Rap-Gewand
„MC Messer“ am Theater Oberhausen – Tanz an der Ruhr 04/24
Weltweit für Menschenrechte
Teil 1: Lokale Initiativen – Amnesty International in Bochum
Sichtbarkeit vor und hinter der Leinwand
Das IFFF fordert Gleichberechtigung in der Filmbranche – Festival 04/24
Absurde Südfrucht-Fabel
„Die Liebe zu den drei Orangen“ an der Oper Bonn – Oper in NRW 04/24
Von Minenfeldern in die Ruhrwiesen
Anja Liedtke wendet sich dem Nature Writing zu – Literaturporträt 04/24
Besuch von der Insel
„Paul Heller invites Gary Husband“ im Stadtgarten – Improvisierte Musik in NRW 04/24
Im Sturm der Ignoranz
Eine Geschichte mit tödlichem Ausgang – Glosse
„Ich mache keine Witze über die Ampel“
Kabarettist Jürgen Becker über sein Programm „Deine Disco – Geschichte in Scheiben“ – Interview 04/24
Erwachsen werden
„Paare: Eine Liebesgeschichte“ von Maggie Millner – Textwelten 04/24
Spuren und Ahnungen
Stefan Müller und Viola Relle im Dialog in der Neuen Galerie Gladbeck – kunst & gut 04/24
„Nicht nur ärztliche, sondern auch politische Entscheidung“
Teil 1: Interview – Psychiater Mazda Adli über Ängste infolge des Klimawandels
„Ich komme mir vor wie Kassandra“
Jaana Redflower über ihren Roman „Katharina?“ und das neue Album der Gamma Rats – Interview 04/24
Keine Vagabunden mehr
New Model Army in Oberhausen– Musik 04/24
Female (Comic-)Future
Comics mit widerspenstigen Frauenfiguren – ComicKultur 04/24
Soziale Bakterien
Den Ursprüngen sozialer Phobien auf der Spur – Europa-Vorbild: Irland