Wir alle leben verschiedene Rollen. Zumindest sind wir je nach Situation mal so, mal so. Matthias (Albrecht Schuch, „Systemsprenger“, „Lieber Thomas“) macht das allerdings beruflich. Ihn kann man als Begleiter mieten, der dann z.B. den entfernt lebenden Sohn oder den kunstbeflissenen Partner mimt. Doch zwischen all den Rollen findet ihn seine Freundin nicht mehr und trennt sich. Von da an gerät das Leben des penibel organisierten Matthias ziemlich durcheinander. Visuell passt der leicht sterile Stil zu Matthias, dem Mann ohne Eigenschaften. Dazwischen überrascht der staubtrockene Um-die-Ecke-Humor, der körperlich (Albrecht Schuch spielt beeindruckend) und klanglich mitunter an Jacques Tati erinnert, immer wieder und macht den Debütfilm „Pfau – Bin ich echt?“ zu einem großen Vergnügen.
Die 12-jährige Bailey sucht in der mittelgroßen Stadt Gravesend in Kent lebt, ca. 35 Kilometer östlich von London, nach etwas Glück und Liebe. Regisseurin Andrea Arnold kehrt mit „Bird“ zu ihrer eigenen Herkunft zurück. Und sie kehrt zu den Anfängen ihrer Filmkarriere zurück - zusammen mit Barry Keoghan („The Banshees of Inisherin“, „Saltburn“), der Baileys Vater Bug spielt, und Franz Rogowski als eigentümlichem Freund. Der Blick auf die Protagonist:innen in „Bird“ ist weder abschätzig noch idealisierend. Er ist zuallererst sehr lebendig, auch dank des Soundtracks des britischen Dubstep-Produzenten Burial und der Kamera, die meist aus der Hand geschossen ganz nah und agil an den Menschen ist. Die Kamera lässt uns aber auch Zeit, mit Bailey, gespielt von der beeindruckenden 12-jährigen Neuentdeckung Nykiya Adams, die Umgebung zu erkunden, die Menschen um sie herum, die Architektur, aber auch die Natur der Peripherie, die Insekten und natürlich die Vögel. Dann taucht der Film ein in einen fast magischen Realismus.
Außerdem neu in den Ruhr-Kinos: der böse Schul-Thriller „Bad Genius“ von J.C. Lee, der Actioner „Flight Risk“ von Mel Gibson und Stephen Kings Kuscheltier-Horror „The Monkey“ von Osgood Perkins.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Wir Ra(s)tlosen
Die Filmstarts der Woche
Verlustschmerz verstehen
„Als der Wald erwachte“ von Emma Karinsdotter und Martin Widmark – Vorlesung 03/25
Künstler der Superlative
Trompetenstar Wynton Marsalis in der Essener Philhamonie – Improvisierte Musik in NRW 03/25
Besuch aus Schweden
Nina Stemme singt Mahlers „Kindertotenlieder“ in Köln – Klassik am Rhein 03/25
Gewinnen um jeden Preis?
„Alle spielen“ im Studio des Dortmunder Theaters – Prolog 03/25
Die Geheimnisse bleiben
Axel Hütte im Bahnhof Rolandseck – Kunst in NRW 03/25
Erinnern im ehemaligen Arbeitslager
Teil 1: Lokale Initiativen – Die Initiative Gedenkort Bochum-Bergen
Tanzen bis zum Umfallen
46. Duisburger Akzente – Festival 03/25
Cool – cooler – Aal
„Egal, sagt Aal“ von Julia Regett – Vorlesung 03/25
Opernstar zum Anfassen
„Festival Joyce DiDonato & Friends“ in Dortmund – Klassik an der Ruhr 03/25
„Ich liebe die Deutungsoffenheit“
Regisseur Roland Schwab über „Parsifal“ am Essener Aalto-Theater – Interview 03/25
Sündenböcke, Menschenrechte, Instagram
Deutschland und der Krieg – Glosse
„Die Kraft des Buchs besteht in der Aufarbeitung“
Bettina Engelhardt inszeniert Bettina Flitners Roman „Meine Schwester“ am Essener Grillo-Theater – Premiere 03/25
„Eine totale Machtdemonstration“
Teil 1: Interview – Kindernothilfe-Mitarbeiter Frank Mischo zu sexualisierter Gewalt in Krisengebieten
Aus dem belagerten Sarajevo
„Nachtgäste“ von Nenad Veličković – Literatur 03/25
Zum Herzen durch Verstand
Wie Deutschlands Erinnerungskultur ein NS-Opfer vom Hass abbrachte – Europa-Vorbild Deutschland
Die Geschichte der Frau
Ein Schwung neuer feministischer Comics – ComicKultur 03/25
Tanz der Generationen
„Kaleidoskop des Lebens“ von Choreografin Suheyla Ferwer – Tanz in NRW 03/25
Einzelkämpfer auf ungesichertem Terrain
Herbert Zangs im Emil Schumacher Museum in Hagen – kunst & gut 03/25
„Alle Intelligenz ist künstlich“
Co-Kurator Tom McCarthy über die Ausstellung „Holding Pattern“ im Dortmunder HMKV – Sammlung 03/25
Der legendäre Anruf
Ismail Kadares Recherche über Stalin und Boris Pasternak – Textwelten 03/25
Gewalt mit System
Teil 1: Leitartikel – Patriarchale Strukturen ermöglichen sexualisierte Gewalt als Kriegsmittel
Figur ohne Bewusstsein
„Don Giovanni“ an der Oper – Oper in NRW 03/25
Amazon-Bond & beyond
007 ist zum Streaming-Start freigegeben – Vorspann 03/25
Von Heilern und Kindern
Abel Selaocoe in der Kölner Philharmonie – Klassik am Rhein 02/25