Der Scoop, also die Exklusivmeldung der New York Times im Jahr 2018 zum Verhalten des Filmproduzenten Harvey Weinstein gegenüber Frauen, hat eine Vorgeschichte, mit der Maria Schraders erster Hollywoodfilm „She Said“ beginnt: 2016, der Wahlkampf in den USA zwischen Donald Trump und Hillary Clinton ist in vollem Gang. Megan Twohey (Carey Mulligan) hat als Investigativ-Reporterin gerade bei der New York Times angefangen und arbeitet an mehreren Artikeln über Donald Trump. Die Folgen ihrer Veröffentlichungen sind ernüchternd: Donald Trump wird trotz aller Kontroversen zum Präsident der Vereinigten Staaten gewählt. Twokeys Vorgesetzte Rebecca Corbett (Patricia Clarkson) stößt kurz darauf auf eine Häufung von Vorwürfen sexistischer Übergriffe und sexueller Gewalt im Umfeld des Filmproduzenten Harvey Weinstein. Sie setzt, unterstützt von Dean Baquet (Andre Braugher), dem ersten afroamerikanischen Chefredakteur der New York Times, Twoheys Kollegin Jodi Kantor (Zoe Kazan) auf den Fall an, die schon bald auf weitere Frauen stößt, die Ähnliches zu berichten haben. Allerdings ist kaum eine von Ihnen bereit, die Vorwürfe öffentlich zu äußern. Entweder, weil bereits Gelder geflossen sind, damit sie schweigen, oder aus Angst, in der Filmbranche keinen Job mehr zu bekommen. Jodi Kantor kommt mit ihren Ermittlungen nicht weiter. Da holt Rebecca Corbett Megan Twohey mit an Bord, die bei ihrer Arbeit zu Donald Trump bereits Erfahrungen mit den Ängsten der Frauen und den Einschüchterungsversuchen der Männer machen konnte. Schon bald müssen die beiden Journalistinnen erkennen, dass sie es mit weitaus mehr als einem Mann und seinem sexistischen Verhalten zu tun haben. Es scheint, dass fast die gesamte Branche von dem Machtmissbrauchs Harvey Weinsteins wusste, ihn strukturell unterstützt und ihm geholfen hat, die Taten zu verschleiern oder zumindest jahre- und jahrzehntelang weggesehen hat. „She Said“ ist nicht nur ein Film über Journalismus und #MeToo, sondern auch eine Inside-Story über die Filmbranche und die dortigen Missstände. Die Perspektive von Maria Schrader, die mit der Netflix-Miniserie „Unorthodox“ und ihrer Nominierung für den Auslands-Oscar mit „Ich bin dein Mensch“ schon erste Berührungspunkte mit der amerikanischen Filmbranche hatte, ist von Anfang an klar auf die Frauen gerichtet. Nicht der Täter steht im Vordergrund, sondern die Opfer und jene, die ihnen beistehen.
Sandra lebt alleine mit ihrer kleinen Tochter. Der Alltag hält sie auf Trab, erst Recht, weil sie sich auch noch um ihren kranken Vater kümmern muss. Der ehemalige Philosophie-Professor muss in ein Heim, weil er zunehmend die Welt um sich verliert. Zugleich trifft Sandra einen alten Freund und beginnt eine Affäre. Mia Hansen-Løve erzählt von diesem Alltag zwischen Glück und Trauer in allen Details und erspürt auch mit ihrem neuen, abermals autobiografisch geprägten Film „An einem schönen Morgen“ das Leben in seiner ganzen Spannbreite. Die zur Zeit omnipräsente Léa Seydoux brilliert in einer scheinbar schlichten, aber emotional sehr breit angelegten Rolle, und Hansen-Løve zeigt nach „Bergman Island“ auch in ihrem achten Film, dass eine offene filmische Form zu ihrem neugierigen, empathischen Blick auf das Leben am besten passt.
Außerdem neu in den Ruhr-Kinos: João Pedro Rodriguess queere Liebesfantasie „Irrlicht“, Clay Kaytis spätes Bob-Clark-Sequel „A Christmas Story Christmas: Leise rieselt der Stress“, Aino Sunis Coming-of-Age-Thriller „Heartbeast“, Atsuko Ishizukas Anime-Detektivgeschichte „Goodbye Don Glees“ und Michaek Krummenachers Neuverfilmung von Otfried Preußlers „Der Räuber Hotzenplotz“.
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