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Nomadland

Wilder Westen inklusive

28. Juni 2021

Die Filmstarts der Woche

Ihr Mann ist schon vor einiger Zeit gestorben, nun ist auch die gesamte Stadt tot, in der Fern (Frances NcDormand) wohnt. Kurzerhand packt sie ihre wenigen Sachen und macht sich in ihrem Van auf und davon. Sie nimmt Gelegenheitsjobs an, durchquert halb Amerika und trifft in der Wüste Nevadas auf andere Aussteiger. Regisseurin Cloé Zhao nimmt Jessica Bruders 2017 erschienenes Sachbuch „Nomaden der Arbeit“ („Nomadland: Surviving America in the Twenty-First Century“) als Vorlage für ihren Film „Nomadland“, der eine Gratwanderung zwischen Spiel- und Dokumentarfilm ist - und in diesem Jahr mit drei Oscars für den Besten Film, die Beste Regie und die Beste Hauptdarstellerin ausgezeichnet wurde. Die meisten der Darsteller sind Laien, die sich selber spielen und bereits in der Buchvorlage zu Wort kamen, nur die Hauptfigur Fern ist fiktional. Frances McDormand, die zuletzt mit der bitterbösen Tragikomödie „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“ einen großen Erfolg feierte und für ihre Darstellung bereits damals einen Oscar erhielt, spielt hier scheinbar gleichmütig die bedingt freiwillig einsame Fern, deren emotionale Tiefe man vor allem an wenigen Regungen im Gesicht ablesen muss. Den Schwierigkeiten dieses Lebens, die wir detailliert zu sehen bekommen, setzt der Film die Freiheiten dieses mal mehr, mal weniger frei gewählten Lebens entgegen. Mit seinen ruhigen Einstellungen findet der Film eine deutliche Nähe zum Western, die Regisseurin Zhao bereits mit dem Vorgänger „The Rider“ gesucht hatte. So muss man sich die Protagonisten ihres neuen, spannenden wie wahrhaftigen Films auch als Cowboys oder Trapper vorstellen. Anders als bei klassischer Obdachlosigkeit in der Großstadt fühlen sich die modernen Nomaden autark und genießen das Reisen durch die Weiten der USA. Dabei berufen sie sich auf eine amerikanische Tradition, die von den ersten Europäern auf dem Kontinent bis zu den rüstigen Rentnern der Gegenwart reicht.

Berlin in naher Zukunft: Alma (Maren Eggert) ist Archäologin und mit ihrem Team einer großen Entdeckung auf der Spur. Privat läuft es jedoch nicht so gut, seit sie ihr Freund Julian verlassen hat. Da kommt ihrer Einsamkeit ein Angebot in die Quere: Sie soll einen humanoiden Roboter (Dan Stevens) für drei Wochen als Partner testen. Er sieht tatsächlich aus wie ein Mensch und wurde optimal auf ihre Bedürfnisse und Wünsche konfiguriert. Nach ihrer vielbeachteten Miniserie „Unorthodox“widmet sich Regisseurin Maria Schrader in „Ich bin dein Mensch“ nun einer eigenwilligen Science-Fiction-Story. Die philosophischen Fragen nach Glück und Gefühlen, all das im Zusammenhang mit Technik und Künstlicher Intelligenz, umschleicht der brillant gespielte Film im Spannungsfeld zwischen Tragik und einem sehr feinen, pointierten, trockenem Dialogwitz, bis er die möglichen Antworten immer feiner umkreist hat, ohne jedoch am Ende alle Ambivalenzen aufzulösen. Maren Eggert zeigt wunderbar, wie Almas Schutzpanzer langsam abblättert und sie von ihrem verhärmten, enttäuschten Zynismus zu einer neuen Zärtlichkeit findet. Dafür wurde sie zurecht bei der diesjährigen digitalen Berlinale mit dem Silbernen Bären ausgezeichnet. In einer Nebenrolle agiert Sandra Hüller gekonnt holprig als Mitarbeiterin des Roboter-Unternehmens und Hans Löw gibt schön ungelenk das personifizierte schlechte Gewissen als Almas Ex.

David gegen Goliath, Bauer gegen Konzern: Der kanadische Farmer Percy Schmeiser (Christopher Walken) bekommt es auf seine alten Tage mit dem Chemiegiganten Monsanto zu tun. Der Konzern beschuldigt den 70-jährigen Mann, genmanipulierten Raps der Firma auszusäen. Er verletzte damit angeblich das Patentrecht. Doch Schmeiser, der mit seinem Saatgut stets sparsam umgegangen ist und dessen Familie schon seit Generationen als Farmer lebt, lässt es auf eine Klage ankommen - und wird zum Vorbild anderer Bauern und Einzelkämpfer. Clark Johnsons True-Story-Drama „Percy“ hat mit Christopher Walken, Christina Ricci und Zach Braff tolle, schön aufspielende Darsteller, eine atmosphärische und überzeugende Inszenierung und einen guten Plot. Spannend bleiben in „Percy vs. Goliath“, wie der Film in einigen Ländern heißt, vor allem die Widersprüche der Hauptfigur. Percy Schmeiser empfindet sogar das Posen für das Bild des Personalausweises als zu viel Aufmerksamkeit, steigt andererseits aber zum enthusiastischen Sprecher der Farmer in Indien auf.

Maria Heubuch sitzt im EU-Parlament, engagiert sich gegen Landgrabbing und nimmt die EU in die Verantwortung. Karin Berndt ist Bürgermeisterin einer kleinen Gemeinde und kämpft für die Erhaltung der ortsansässigen Schule. Charly Schillinger und Günther Wuchterl beantragen, dass der Sternenhimmel über dem niederösterreichischen Großmugl durch die UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt wird. Gesa Höllerbachs „Landretter“ ist das Portrait von Menschen, die sich für den Erhalt von Werten, Kultur und der Lebensgrundlage stark machen. Eine Doku, die gut tut, weil sie darlegt, wie schön es ist, Bürgern zu folgen, die sich tatkräftig und konstruktiv für etwas engagieren, anstatt bloß polemisch gegen etwas zu wettern. 

Der Mittvierzigerin Rosa reicht es. Sie setzt sich in ihr Auto und haut ab aus Valencia in ihren Heimatort Benicassim am Meer. Dort verstaubt die frühere Schneiderei ihrer Mutter. Die will sie nun wiederbeleben – und sich selbst gleich mit. Um ein Zeichen zu setzen, lädt sie ihre Familie zu ihrer Hochzeit am Strand ein – mit sich selbst, ohne Bräutigam. Damit geht der Stress erst richtig los. Regisseurin Icíar Bollaín und Ko-Autorin Alicia Luna kam die Idee zu dieser Solohochzeit durch einen Artikel über eine japanische Agentur, die Selbstheiraten organisiert. Bollaín hat schon mit „Der Olivenbaum“ ein humorvolles Sozialdrama mit einer sturen weiblichen Hauptfigur vorgelegt. Auch in „Rosas Hochzeit“ liegt die Stärke bei der Heldin, gespielt von Candela Peña, die zwischen Überforderung, Auflehnung und liebevoller Zuwendung mühelos changiert.

Außerdem neu in den Ruhr-Kinos: Dominic Cookes klassisch inszeniertes Agentendrama „Der Spion“, Shaka Kings Oscar-prämierter Thriller „Judas and the Black Messiah“, Pepe Danquarts Pasolini-Spurensuche „Vor mir der Süden“, Ilya Naishullers gemeiner Rachekrimi „Nobody“ und Sven Unterwaldts Otto-Version von „Catweazle“. Dazu starten Adam Wingards Ungeheuer-Duell „Godzilla vs. Kong“, Paul W.S. Andersons Fantasy-Geballer „Monster Hunter“, Michael Chaves' paranormales Horror-Sequel „Conjuring 3: Im Bann des Teufels“ und, speziell für die Kinder- und Jugendfraktion, Alexs Stadermanns Trickfilmfabel „100% Wolf“ und Will Glucks teilanimierter Hoppelspaß „Peter Hase 2: Ein Hase macht sich vom Acker“.

Redaktion trailer-ruhr.de

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