
Was uns hält
Italien 2020, Laufzeit: 100 Min.
Regie: Daniele Luchetti
Darsteller: Luigi Lo Cascio, Alba Rohrwacher, Laura Morante
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Lebensnahes Drama
Außergewöhnliche Ensembleleistung
„Was uns hält“ von Daniele Luchetti
Es beginnt mit einer fröhlichen Polonaise im Neapel der 1980er Jahre. Das Ehepaar Aldo und Vanda tauscht einen innigen Blick aus. Oder ist es schon ein ahnender? Denn nach dem folgenden harmonischen Familienabend mit den beiden acht- und sechsjährigen Kindern Anna (Giulia De Luca) und Sandro (Joshua Francesco Louis Cerciello) gesteht Aldo seiner Frau einen Seitensprung. Vanda schmeißt ihn aus der Wohnung, pocht aber auf jenen Pakt, den sie einst geschlossen hatten: „Es ist nicht nur eine Frage der Liebe, sondern auch eine Frage der Loyalität!“, und diese Unauflöslichkeit der Beziehung, die auch der Originaltitel „Lacci“ (Schnürsenkel) viel treffender und schöner beschreibt, durchzieht nun die Geschichte.
Wanda fordert diese Loyalität von Aldo, der zu seiner viel jüngeren Geliebten Lidia nach Rom gezogen ist, immer wieder ein. Setzt ihn sogar mit einem Selbstmordversuch unter Druck. Der Film macht nun einen Zeitsprung von dreißig Jahren: Aldo und Vanda leben wieder zusammen. Von neuem Glück allerdings keine Spur. Was geblieben ist: eine gewisse Vertrautheit und ein Hauch von Zärtlichkeit. Und immer wieder die Frage nach der Lebenslüge, das Bedauern über verpasste Chancen. Als die beiden für ein Wochenende ans Meer fahren, treffen sich Anna und Sandro – jetzt gespielt von Giovanna Mezzogiorno und Adriano Giannini – in der elterlichen Wohnung und reflektieren ihre Familiengeschichte.
Der nach dem gleichnamigen Roman von Domenico Starnone entstandene Film klingt im ersten Moment wie ein chaotisches Drama, aus dem es kein Entkommen gibt. Zumal die beiden Hauptfiguren nicht gerade Sympathieträger:innen sind. Man muss seine Empathie ständig neu ausrichten, findet eigentlich nur in den Kindern emotionalen Halt. Aber weil Luchetti nicht zu lauten Tönen neigt, sondern die leisen Zwischentöne schätzt, wo nicht alles nur schwarz oder nur weiß ist, kommt er dem realen Leben sehr nahe. Der Leichtigkeit seiner Inszenierung gelingt es immer wieder, uns einerseits auf Distanz zu halten, andererseits aber auch eine intime Nähe zu den Protagonist:innen herzustellen. Dass dies so wunderbar funktioniert, liegt am großartigen Ensemblespiel seiner Darstellerriege: Alba Rohrwacher spielt mit ausdrucksstarker Gestik und Mimik die junge Vanda, der die Darstellerin der älteren Vanda (Laura Morante) eine glaubhafte Versöhnung mit dem Schicksal entgegensetzt. Luigi Lo Cascio gibt überzeugend das Klischee jenes italienischen Macho-Mannes, der es für ein Vorrecht seines Geschlechts hält, sich neben seiner Frau eine Geliebte zu halten. Silvio Orlando als 30 Jahre älterer Aldo gelingt es auf berührende Weise, eine herzliche Zuneigung zu Vanda zu entwickeln. Und wenn die Kinder ins Blickfeld geraten, bringt sie die präzise Führung von Luchetti zu einem Spiel auf Augenhöhe mit ihren erwachsenen Kolleg:innen. So wird dieser virtuos zwischen den Zeiten springende und aus mehreren Perspektiven erzählte Film zu einem unterhaltsamen, gleichwohl nachdenklich stimmenden Blick auf immer noch aktuelle Probleme, ohne zum moralisierenden Problemfilm zu werden.
(Rolf-Ruediger Hamacher)
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