Schildkröten können fliegen
Irak/Iran 2004, Laufzeit: 98 Min., FSK 12
Regie: Bahman Ghobadi
Darsteller: Avaz Latif, Soran Ebrahim, Saddam Hossein Feyssal, Hiresh Feysal Rahman, Abdol Rahman Karim, Ajil Zibari, Olivier Gourmet, Morgan Marinne
Kurdisches Kino gibt es kaum. So war Bahman Ghobadis Kinodebut "Zeit der trunkenen Pferde" aus dem Jahr 2000 die erste kurdische Produktion überhaupt. Irakisches Kino gibt es schon lange nicht mehr. So ist Ghobadis neuer Film der erste im Irak gedrehte Film seit 26 Jahren. "Schildkröten können fliegen" nimmt alleine dadurch eine Sonderstellung ein, der der Film allerdings auch qualitativ Rechnung trägt. Eine solch historische Stellung verschenkt man nicht mit mittelmäßigem Kino! Kurz vor Kriegsbeginn herrscht aufgeregte Stimmung bei der ärmlichen Landbevölkerung im Norden des Irak. Wann wird es Krieg geben? Werden die Amerikaner ihre Lebenssituation verbessern? Wo bekommt man eine Satellitenschüssel her, um die neusten Nachrichten zu empfangen? Für Letzteres sorgt "Satellit", der geschäftstüchtig eine Schar Flüchtlingskinder als Arbeiter vermittelt, unter anderem, um unter größter Gefahr Minenfelder zu räumen. So hat sein bester Freund bereits ein Bein verloren, Hengov, der Bruder der schönen Agrin, beide Arme. Als Hengov, Agrin und ihr Sohn Digah im Flüchtlingslager auftauchen, setzt Satellit alles daran, Agrin zu helfen, doch die im Krieg Vergewaltigte kämpft mit ihrem Trauma und möchte bloß ihren 'Bastard' loswerden - für Romantik ist hier kein Platz. Eines Morgens irrt der kleine freudig spielend durch ein Minenfeld... "Schildkröten können fliegen" ist in ausgesucht schönen Bildern erzählt, und mitunter droht der Regisseur auch der Schönheit seiner eigenen poetischen Bilder zu erliegen (das Makhmalbaf-Syndrom). Aber der Film ist vor allem an einer menschlichen Darstellung der absurden Vorkriegs-Wirren interessiert. Ghobadi will nicht mit dem großen Schrecken beeindrucken. Das zeigen auch die durchaus humorvollen Szenen, die manchmal sogar ein bisschen vergnügliche "Krieg der Knöpfe"-Stimmung aufkommen lassen. Die sich auch dort zeigende Menschlichkeit, das Interesse an den Schicksalen jenseits der großen Ereignisse, legt sich tröstend, wenn auch nicht verharmlosend, über den gesamten Film.
(Christian Meyer)

Land ohne Kino-Geschichte
Geschlossene Zeitungsarchive verhindern eine umfassende lokale Kinoforschung – Vorspann 12/25
Grenzenlos
10. European Arthouse Cinema Day – Festival 11/25
Sentimental Value
Start: 4.12.2025
Mit dem Rotstift ans Kino
Förderkürzungen bedrohen die Filmfestivals im Ruhrgebiet – Vorspann 11/25
Sorry, Baby
Start: 18.12.2025
Herz aus Eis
Start: 18.12.2025
Die jüngste Tochter
Start: 25.12.2025
Der Fremde
Start: 8.1.2026
Ein einfacher Unfall
Start: 8.1.2026
Hamnet
Start: 15.1.2026
Extrawurst
Start: 15.1.2026
Silent Friend
Start: 22.1.2026
Father Mother Sister Brother
Start: 26.2.2026
Marty Supreme
Start: 26.2.2026
The Bride! – Es lebe die Braut
Start: 5.3.2026
Nouvelle Vague
Start: 12.3.2026
La Grazia
Start: 19.3.2026
„Ich wollte mich auf eine Suche nach Kafka begeben“
Regisseurin Agnieszka Holland über „Franz K.“ – Gespräch zum Film 10/25
A Useful Ghost
Start: 26.3.2026
Der Meister des Filmplakats
Renato Casaro ist tot – Vorspann 10/25
The Odyssey
Start: 16.7.2026
Woher kommt dieser Hass?
Fritz Bauer Forum Bochum: Unlimited Hope Film Festival mit Human Rights Film Awards – Festival 09/25
Ein Spiegel für die politische Mitte
Eröffnung Unlimited Hope Filmfestival im Bochumer Fritz-Bauer-Forum – Festival 09/25
„Es ist vertraut, aber dennoch spannend“
Schauspielerin Barbara Auer über „Miroirs No. 3“ – Roter Teppich 09/25
Am Puls der Zeit
Das 2. Unlimited-Hope-Filmfestival in Bochum und Dortmund – Festival 09/25