
Ostwind – Der Große Orkan
Deutschland 2020, Laufzeit: 102 Min., FSK 0
Regie: Lea Schmidbauer
Darsteller: Luna Paiano, Hanna Binke, Matteo Miska
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Pferdeabenteuer
Mädchen, Pferde, Abenteuer
„Ostwind – Der Große Orkan“ von Lea Schmidtbauer
Nun, wir gestehen ein, dass das Pferdeabenteuer in unseren Medien über die Jahre schon mal vernachlässigt oder mitunter gar augenzwinkernd bedacht wurde. Auch von Seiten des Autors dieser Zeilen – dabei war er selbst mal jung, ging früh ins Kino und gehörte damit zur Ziel-Altersgruppe dieses Genres. Im Gegensatz zu seiner Schwester konnte er jedoch einem Pferd nichts abgewinnen. Auch nicht im Film. Es sei denn, John Wayne saß drauf. Alles andere war für Mädchen!
Schaut man sich um auf den Koppeln unseres Landes, scheinen Jungs ebenso unterrepräsentiert zu sein wie im Kinosaal, wenn dort Wendy, Bibi, Mika & Co über die Leinwand galoppeln. Dem Mann wird hier gern fehlendes emotionales Gespür nachgesagt: Das Pferd ist ihm Nutztier, nicht Identifikationsfigur. Der abgetrennte Kopf eines wertvollen Turnierpferdes ist zweckdienlich, um dem Angebot eines Paten Nachdruck zu verleihen, und wenn es noch lebt, dann ist nicht das Pferd der Held, sondern der Reiter. Das Tier bleibt für die Herren der Schöpfung vor allem Dienstleister. Archaisches Personenbeförderungsmittel, austauschbar, charakterarm, namenlos. Gut, einige von uns, die in ihrer Kindheit „Silas“ und Winnetou gesehen haben und später die Tolkien-Verfilmungen, wissen, Iltschi, Schwarzer oder Schattenfell einzuordnen. Doch auch diese Pferde bleiben in ihrem Wesen reduziert auf den loyalen Wegbegleiter oder des Ritters Retter.
Etwas komplett anderes geschieht, sobald das Pferd auf Weide oder Leinwand einem Mädchen begegnet: Hier, da sind sich Psychologen einig, erwächst das Pferd dem Mädchen zum letzten Kuscheltier und hält zugleich als Exerzierübung für die erste Partnerschaft her: Kuscheln, Vertrauen, Erweckung der Sinne. Sicherlich ist auch hier das Machtspiel ein Thema, doch anders als bei den Jungs, begegnen sich Mädchen und Pferd grundsätzlich auf Augenhöhe. Und so rettet in den einschlägigen Filmen das Pferd nicht bloß Frauchen, sondern Frauchen auch das Pferd. Und gemeinsam rettet man dann Omis finanziell ramponierten Reiterhof. Dieses etablierte Storygerüst wird entweder durch die jüngsten „Wendy“-Adaptionen brav verfestigt oder mit „Bibi & Tina“ von Detlev Buck ironisch mit Galopp-Pop durchbrochen. Dazwischen manifestiert sich erfolgreich „Ostwind“.
Regisseurin Katja von Garnier („Abgeschminkt!“, „Bandits“) hievt 2013 den ersten Band des Autorinnen-Gespanns Lea Schmidbauer und Kristina Henn auf die Leinwand. Zum einen ist auch hier wieder der Reiterhof der Großmutter existenziell bedroht. Zugleich aber richtet Garnier, und das macht die Serie besonders, ihren Fokus beseelt auf das Thema Freiheit im Allgemeinen und auf die Beziehung von Mensch und Tier im Speziellen. Den fünften Teil der Reihe inszeniert nun Stammautorin Schmidbauer, die damit ihr Regiedebüt abliefert. Darin taucht Ari (Luna Paiano) in die magische Welt eines Pferde-Zirkus ein, entdeckt aber Abgründe hinterm Vorhang und will gemeinsam mit ihrem Lieblingsrappen das geknechtete Showpferd Orkan retten.
Das Pferdeabenteuer boomt. Die Sehnsucht nach Natur und Ursprünglichkeit, die heile Welt, das Märchen – die Kraft des Kinos! Das alles kommt bei „Ostwind“ zusammen. Und damit retten Ari und Ostwind nicht bloß einander und den Hof, sondern auch ein Stück unsere Lichtspielhäuser. Denn das jüngere Publikum hat bereits in der Erholungsphase zwischen den beiden ersten Lockdowns eifrig die Spielstätten wiederaufgesucht. Weiter so: Auf den Nachwuchs, auf das Kino, auf die Wiedereröffnung!
(Hartmut Ernst)
Echt. Kino.
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