Neulich in Belgien
B 2008, Laufzeit: 102 Min.
Regie: Christophe van Rompaey
Darsteller: Barbara Sarafian, Jurgen Delnaet, Anemone Valcke, Johan Heldenbergh, Sofia Ferri, Julian Borsani, Griet van Damme
Matty lebt alleine mit ihren drei Kindern in einer Hochhaussiedlung. Ihr Mann lebt seit einem halben Jahr mit einer Jüngeren zusammen. Ein kleiner Autocrash wirft ihr Leben gänzlich aus der Bahn.
Nicht Paris, Texas, sondern Moskau, Belgien, ist der Ort der Handlung, ein äußerer Stadtteil von Gent in Belgien: Matty ist sichtlich gestresst, als sie mit ihren beiden kleineren Kindern im Supermarkt einkauft. Als sie auf dem Parkplatz auch noch einen Unfall verschuldet, ist der Tag gelaufen. Pech für Johnny, dem leicht prolligen Truckerfahrer, der sich ihrem Auto in den Weg gestellt hat. Denn der kriegt jetzt den ganzen Frust ab: Dass die ältere Tochter in der Pubertät ist und ihre ersten Beziehungen eingeht, dass der Sohn ein fast autistisches Dasein fristet und vor allem, dass der Ehemann, ein Kunstlehrer an der Akademie, seit fast einem halben Jahr mit einer seiner Ex-Studentinnen zusammenlebt, ohne sich letztlich für oder gegen eine Trennung von Matty zu entscheiden. Der gut zehn Jahre jüngere Johnny ist erst eingeschüchtert, dann imponiert ihm Mattys Wutausbruch. Kurzerhand steht er ein paar Tage später vor ihrer Tür und will das Auto reparieren. Doch Matty hat alles andere im Sinn als solch ein Abenteuer mit einem jüngeren Mann. Viel lieber würde sie ihr altes unkompliziertes Familienleben wieder haben. Aber ihr Mann hat kein Rückgrat – und Johnny lässt nicht locker.
Christophe van Rompaey ist ein außergewöhnliches Debüt gelungen, das trotz allem Realismus locker und leicht von den emotionalen Nöten der 41jährigen Matty erzählt. Die stemmt mit ihren Kräften gerade noch den Alltag, da ist an Glück schon lange nicht mehr zu denken. Aber der quirlige Johnny öffnet ihr den Blick auf die eigenen Bedürfnisse. Dabei ist Matty eigentlich gar nicht die Frau, die in die Norm der schweigsam alles erduldenden Hausfrau eingepresst ist. Sie ist berufstätig und mit ihrer rauen Tonart äußerst schlagfertig. Trotzdem vergisst sie über den Pflichten ihre Bedürfnisse. Barbara Sarafian, deren Tochter im Film die jüngere Tochter spielt, verkörpert diese Mischung aus Selbstbewusstsein und Unsicherheit mit viel Temperament und Witz, aber auch Ernsthaftigkeit. Ihren Gegenpart, den einfachen, aber lebenslustigen und offensiven Johnny hat der Theaterdarsteller Jurgen Delnaet, der Johnnys dunkle Seite ganz unspektakulär erahnen lässt, übernommen. Die tollen Darsteller tragen den Film nicht zuletzt mit ihren spritzigen Dialogen. Dass die Figuren allesamt sehr realistisch gezeichnet sind und auch das Umfeld sowohl frei von Sozialromantik als auch von Schockrealismus eingefangen ist, macht den Film zu einem befreienden Vergnügen.
(Christian Meyer)
Kunst des Nicht-Wegschneidens
„Anna Zeit Land“ im Filmforum – Foyer 10/24
Restitution von Kolonialraubkunst
„Dahomey“ und „The Story of Ne Kuko“ im Filmforum – Foyer 10/24
Reise in die Seele des Kinos
Die Ausstellung „Glückauf – Film ab“ in Essen – Vorspann 10/24
„Die Geschichte ist jetzt unfassbar aktuell“
Regisseur Andreas Dresen über „In Liebe, Eure Hilde“ – Gespräch zum Film 10/24
Programmkollaps
Vergraulen immer komplexere Kinoprogramme das Publikum? – Vorspann 09/24
Zurück zum Film
Open-Air-Kinos von Duisburg bis Dortmund – Vorspann 08/24
Der Sieg des Glaubens
„Führer und Verführer“ im Kölner Odeon mit Regisseur Joachim Lang – Foyer 07/24
„Poor Things“, reiches Cannes
Eine Bilanz der ersten sechs Kinomonate – Vorspann 07/24
Lichtspiele mit Charme
Eröffnung der Ausstellung „Glückauf – Film ab!“ im Ruhr-Museum – Foyer 07/24
„Es geht um Geld, Gerechtigkeit und Gemeinschaft“
Regisseurin Natja Brunckhorst über „Zwei zu eins“ – Gespräch zum Film 07/24
Der Tod, der uns verbindet
NRW-Premiere von Eva Trobischs „Ivo“ – Foyer 06/24
Ewige Stadt, ewiges Kino
In Rom werden aus alten verlassenen Kinos wieder Kinos – Vorspann 06/24
Ein letzter Blick von unten
„Vom Ende eines Zeitalters“ mit Filmgespräch im Casablanca Bochum
„Wir erlebten ein Laboratorium für ein anderes Miteinander“
Carmen Eckhardt über „Lützerath – Gemeinsam für ein gutes Leben“ – Portrait 05/24
Grusel und Begeisterung
„Max und die wilde 7: Die Geister Oma“ mit Fragerunde in der Schauburg Dortmund
Der Kurzfilm im Rampenlicht
Die Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen 2024 – Vorspann 05/24
Wenn Kino Schule macht
Die Reihe Filmgeschichte(n) spürt Schulgeschichten auf – Festival 05/24
„Ich wollte die Geschichte dieser Mädchen unbedingt erzählen“
Karin de Miguel Wessendorf über „Kicken wie ein Mädchen“ – Portrait 04/24
Mehr als „Malen-nach-Zahlen-Feminismus“
„Ellbogen“ im Kölner Filmpalast – Foyer 04/24
Sichtbarkeit vor und hinter der Leinwand
Das IFFF fordert Gleichberechtigung in der Filmbranche – Festival 04/24
„Viel Spaß beim Film“
Vom Ende der Platzanweiser:innen – Vorspann 04/24
„Ich mag realistische Komödien lieber“
Josef Hader über „Andrea lässt sich scheiden“ – Roter Teppich 04/24
Was läuft im Kino?
Über die Programmierkunst echter und gespielter Helden – Vorspann 03/24
„Alles ist heute deutlich komplizierter geworden“
Julien Hervé über „Oh la la – Wer ahnt denn sowas?“ – Gespräch zum Film 03/24
„Kafka empfand für Dora eine große Bewunderung“
Henriette Confurius über „Die Herrlichkeit des Lebens“ – Roter Teppich 03/24