
Mustang
Türkei, Frankreich, Deutschland 2015, Laufzeit: 97 Min., FSK 12
Regie: Deniz Gamze Ergüven
Darsteller: Günes Sensoy, Doga Zeynep Doguslu, Elit Iscan
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Beeindruckend gespieltes Jugenddrama
Selbstbewusster Freiheitswille
„Mustang“ von Deniz Gamze Ergüven
Lale wächst zusammen mit ihren vier älteren Geschwistern in einem Dorf am Schwarzen Meer auf. Die fünf Mädchen gehen alle noch zur Schule und werden von der Großmutter, die die vor Jahren verstorbenen Eltern zu ersetzen sucht, halbwegs liberal aufgezogen. Als die Schwestern eines Tages nach der Schule mit ein paar Jungs am Meer rumtoben und sich dort eine wilde Wasserschlacht liefern, macht das schnell die Runde in der kleinen Ortschaft. Die Großmutter ist geschockt von den Gerüchten, sie würden sich an Jungen reiben, und der Onkel wird herbeigerufen. Der Onkel ordnet eine systematische Abschottung der Mädchen an. Mit jedem Versuch, ihre Freiheiten zurückzuerobern werden ihnen weitere Freiheiten genommen. Luftige Kleidung führt zu „kackbraunen Säcken“, wie Lale ihre neuen Kleider nennt. Nächtliche Ausflüge ziehen vergitterte Fenster nach sich. Als die beiden ältesten Mädchen verheiratet werden sollen, kann sich zumindest die eine ihren heimlichen Freund als zukünftigen Ehemann aussuchen, während die andere in eine Zwangsehe gerät. Lale scheint von allen Mädchen den größten Widerstand leisten zu wollen. Sie spricht wütend aus, was ihre Schwestern nur denken. Als sie unbedingt ins Fußballstadion will, findet sie einen Weg, um ihren Wunsch zu verwirklichen. Innere Migration ist für Lale, die an das kämpferische Mädchen in „Das Mädchen Wadjda“ der saudi-arabischen Regisseurin Haifaa al-Mansour erinnert, keine Option. Jede weitere Repression schürt ihren Freiheitswillen.
Die 1978 in Istanbul geborene und in den 80er Jahren nach Frankreich emigrierte Regisseurin Deniz Gamze Ergüven legt mit „Mustang“ ihr Debüt vor. Der Film ist trotz aller Tragik, Ohnmacht und Wut, die in dem Thema stecken, kein gänzlich düsteres Drama. Im Gegenteil empfängt einen der Film mit einer wunderbar verspielten Szene vor sonniger Meereskulisse. Und auch im Laufe der Zeit, wenn die Freiheiten der Mädchen immer mehr eingegrenzt werden, gibt es immer wieder vergnügliche Szenen vom quirligen, unbefangenen Treiben der Mädchen, eingefangen in sonnendurchfluteten Bildern, die „Mustang“ nicht nur wegen der fünf Schwestern wie eine türkische Version von Sofia Coppolas Teenagerdrama „The Virgin Suicides“ erscheinen lässt. Die Musik von Warren Ellis, Mitstreiter von Nick Cave und erfahrener Filmmusikkomponist, unterstreicht die leichte Stimmung dieser Szenen. Umso deutlicher führen sie uns vor Augen, was den Mädchen genommen ist.
Anders als Coppola zeigt Ergüven nicht den männlichen Blick auf die Mädchen, sondern erzählt konsequent aus der Perspektive der Mädchen. Deren Unbefangenheit und Neugierde – auch in Bezug auf erste erotische Untertöne – ist klar positiv besetzt, die restriktive und aggressive Reaktion der Umwelt auf ihr Verhalten wird hingegen als Angst enttarnt. Denn letztlich bekämpft das patriarchale System – einschließlich der Frauen, die es unterstützen – mit der Unterdrückung der Mädchen nur seine eigene Unzulänglichkeit, mit dem Selbstverständnis, dem Selbstbewusstsein und nicht zuletzt der Sexualität der Mädchen umzugehen.
(Christian Meyer)

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