Gemini Man
USA 2019, Laufzeit: 117 Min., FSK 12
Regie: Ang Lee
Darsteller: Will Smith, Mary Elizabeth Winstead, Clive Owen
>> paramount.de/gemini-man
SciFi-Actiondrama in 3D+
Mehr ist weniger
„Gemini Man“ von Ang Lee
Tragikomödien, Arthousedramen, Comicverfilmung, Liebestragödie, Roman-Adaption in 3D: Ang Lee ist Genrewanderer, und da wundert es nicht, dass er auch mit seinem aktuellen Film neues Terrain betritt: In seinem Science Fiction-Actioner schickt der Regisseur Will Smith durch ein Doppelgänger-Abenteuer. Nach 72 Morden will Elite-Killer Henry Brogan (Smith) den Job an den Nagel hängen. Weil er beim jüngsten Job beinahe ein kleines Mädchen erwischt hat. Vor allem aber, weil der 51-Jährige seit langem unter Schlaflosigkeit leidet und in letzter Zeit den Blick in den Spiegel nicht mehr ertragen kann. Und schon wird aus dem Killer ein Sympathieträger. So weit, so bekannt. Bekannt ist auch, wie es weitergeht: Henrys Ex-Boss (Clive Owen – immer wieder überzeugend als Bady: „Killer Elite“; „Valerian“) setzt einen Killer auf den Killer an. Der Jäger entpuppt sich als ebenso gefährlich wie Henry, was nicht verwundert, denn er ist Henrys Klon – in einer 25 Jahre jüngeren Version. Er tötet so effizient wie Henry, nur dass ihm Emotionen und Zweifel ausgetrieben wurden: Der perfekte Soldat.
Doppelgängerduell, Menschen, die Gott spielen und überzüchtete, entmenschlichte Soldaten auf Selbstfindungskurs kennen wir zuhauf aus dem Genrefundus, Produktionen wie „The One“ und „Universal Soldier“ stehen hier Pate. Ang Lee erzählt unterhaltsam, wenn auch nichts Neues. Als Entschädigung zieht er das Ganze aber technisch groß auf. Zum einen spielt Will Smith CGI-unterstützt sowohl Henry als auch seinen Junior-Klon. Vor allem aber fängt Lee das Geschehen mit 3D+ ein, sprich: hier werden statt der üblichen 24 Bilder 60 Bilder pro Sekunde projiziert. Man sieht also – mehr. Mehr Details, mehr Schärfe, mehr Tiefe. 3D+, erfahren wir, nähert „die Bildrate stärker als je zuvor an das an, was das menschliche Auge sieht“. Das klingt alles recht technisch, und genau so sieht es auch aus: Perfekt und klar. Was der Sache dabei leider abgeht, ist Atmosphäre. Wir kennen diesen Ansatz bereits von der „Hobbit“-Trilogie: Die Technik steckt so viel Information in eine Sekunde wie nie zuvor, das Ergebnis aber wirkt befremdlich leblos und recht unfantastisch für einen Fantasy-Film. Soap-Effekt jetzt auch hier: Der Film gleicht einem hochauflösenden Urlaubsvideo. Alles, Will Smith ist näher, greifbarer. Aber für das Kino fehlt es hier spürbar an visueller Stimmungsvielfalt, an Bildgestaltung, an Zauber. Andere Rezensionen schwärmen, man sei „live dabei“ – „wie im Theater“. Die Frage lautet: Wollen wir, dass die Kinoleinwand zur Theaterbühne wird? Oder besser: Wann wollen wir das? Und „live dabei“ ist natürlich super, aber nicht, wenn es sich unspektakulär gestaltet. Nicht, wenn es bloß so aussieht, als filme man Will Smith im Urlaub. Auf seinem jetzigen Stand läuft 3D+ einem Grundelement des Erzählkinos dramatisch entgegen: der Illusion. 3D+ ist in seiner jetzigen Form Desillusion.
Immerhin: In einigen Momenten geht das Experiment tatsächlich auf, zum Beispiel in einer Actionsequenz, in der sich die beiden Kontrahenten eine Verfolgungsjagd zu Motorrad liefern. Das ohnehin großartig inszenierte Duell wirkt hier tatsächlich noch einmal verstärkt wuchtig und unmittelbarer. Weitere effektvolle Momente beschert uns Ang Lee unter Wasser oder im Zeitlupen-Kugelhagel. Hier haut einem 3D+ tatsächlich atemberaubend die Action um die Ohren.
Man ahnt, wohin die Reise gehen kann. Insgesamt aber entspricht 3D+ derzeit noch einem Klon, der mit mehr Präzision ausgestattet ist als sein Vorbild, dem dafür aber die Emotionen ausgetrieben wurden. Doch sind dies bloß die ersten Schritte in eine Zukunft, in der 3D+ eine Rolle spielen wird. Und es ist gut und richtig, dass Ang Lee zeigt, was bereits möglich ist. Wenn die Kreativen lernen, dieses technische Potenzial der Kunst unterzuordnen, wenn sie mit 3D+ tatsächlich Illusion erschaffen, Bild gestalten, dann entsteht irgendwann Magie, wie wir sie noch nicht erlebt haben. Großes Kino. Wir sind schon jetzt gespannt.
„Ich wollte die Geschichte dieser Mädchen unbedingt erzählen“
Karin de Miguel Wessendorf über „Kicken wie ein Mädchen“ – Portrait 04/24
Sichtbarkeit vor und hinter der Leinwand
Das IFFF fordert Gleichberechtigung in der Filmbranche – Festival 04/24
„Ich mag realistische Komödien lieber“
Josef Hader über „Andrea lässt sich scheiden“ – Roter Teppich 04/24
„Viel Spaß beim Film“
Vom Ende der Platzanweiser:innen – Vorspann 04/24
The Monk And The Gun – Was will der Lama mit dem Gewehr?
Start: 1.8.2024
„Kafka empfand für Dora eine große Bewunderung“
Henriette Confurius über „Die Herrlichkeit des Lebens“ – Roter Teppich 03/24
„Alles ist heute deutlich komplizierter geworden“
Julien Hervé über „Oh la la – Wer ahnt denn sowas?“ – Gespräch zum Film 03/24
Was läuft im Kino?
Über die Programmierkunst echter und gespielter Helden – Vorspann 03/24
Bären für NRW-Filme?
21. NRW-Empfang im Rahmen der 74. Berlinale – Foyer 02/24
Sterben
Start: 25.4.2024
Der Junge, dem die Welt gehört
Start: 2.5.2024
Zwischen uns das Leben
Start: 1.5.2024
Bad Director
Start: 9.5.2024
Robot Dreams
Start: 9.5.2024
Das Zimmer der Wunder
Start: 16.5.2024
Nightwatch: Demons Are Forever
Start: 16.5.2024
Furiosa: A Mad Max Saga
Start: 23.5.2024
Mit einem Tiger schlafen
Start: 23.5.2024
Bezeugen, was verboten ist
NRW-Kinopremiere: „Green Border“ von Agnieszka Holland mit Vorgespräch
May December
Start: 30.5.2024
Führer und Verführer
Start: 11.7.2024
Love Lies Bleeding
Start: 18.7.2024
„Man kann Stellas Wandel gut nachvollziehen“
Jannis Niewöhner über „Stella. Ein Leben.“ – Roter Teppich 02/24
Prognose: Lachstürme
Die Komödie findet endlich ins Kino zurück – Vorspann 02/24
Alien: Romulus
Start: 15.8.2024