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Ergreifend und intensiv

28. Januar 2016

Von dezenter Fragilität zu vielschichtiger Hyperaktivität – Kompakt Disk 02/16

Seit gut 15 Jahren beglücken uns inzwischen Animal Collective mit ihrer vielschichtigen Musik. Oft mit den experimentellen Beach Boys zu Zeiten ihres Albums „Pet Sounds“ (1966) verglichen, klingt ihre Musik für manch einen Kritiker auch so, als würden zwei Beach Boys-Platten auf einmal laufen. Ihr experimenteller Gestus ringt tatsächlich permanent mit der Popaffinität des Quartetts um Avey Tare und Panda Bear. Für ihr zehntes Album „Painting With“ nahmen sie sich vier Jahre Zeit bzw. verdingten sich auch wieder bei Soloaktivitäten. In Reaktion auf die Unmengen von Platten, die derzeit im Hall ersaufen, haben sie diesen Effekt nun gestrichen. Die Songs sind insgesamt knapper, knackiger, so dass die Band scherzhaft von ihrem Ramones-Album spricht. Analoge Synthesizer blubbern durch die extrem vielschichtigen, hyperaktiven Songs, und ihre Vokalarrangements verdienen immer noch den Beach Boys-Vergleich. Als Gast taucht John Cale auf. Immer noch eine der spannendsten Bands der Gegenwart (Domino).

Den Siouxsie-Vergleich werden die Savages so schnell nicht los, dafür sorgt die Präsenz der Sängerin Jehnny Beth. Dabei geht es musikalisch nicht immer in diese Richtung. Schmirgelnde Gitarren duellieren sich mit Synthies, die Rhythmusgruppe galoppiert und gemahnt an die zweite deutliche Referenz: Joy Division. Mit ihrem zweiten Album „Adore Life“ wird die düstere Indie-Girlgroup ihre Fans nicht enttäuschen. Wem der Retro-Wave auf dem Debüt zu penetrant war, der wird auch kaum mit dem Nachfolger glücklich (Matador).

Will Oldham alias Bonnie Prince Billy hat in den letzten 20 Jahren sechs Mal bei John Peels BBC Radio 1 aufgenommen. Drei der Sessions werden nun auf der Compilation „Pond Scum“ zusammengefasst. Die zwölf Stücke sind aus den Jahren 1994 bis 2002, also auch unter den Namen Palace Brothers und Palace Music entstanden. Die Musik ist von allergrößter Fragilität: Oldhams Stimme zittert zerbrechlich, die Instrumentierung ist dezent – kurz: wahnsinnig ergreifend (Domino).

Seit Mitte der 90er Jahre steht der Detroiter Produzent Moodyman für deepen Techno, der die Grenzen zwischen analog und digital verwischt. Für die 50. Ausgabe von DJ-Kicks macht er nun seinen allerersten DJ-Mix mit Fremdmaterial. 30 Stücke zwischen Soul, R'n'B, Hip-Hop und House, darunter elf bislang unveröffentlichte eigene Edits hat er für seinen 75-minütigen Mix ausgewählt und in einen Fluss von großer emotionaler Dichte verwandelt, der jedes einzelne Stück durch seine ungewohnte Nachbarschaft mit den anderen intensiv erstrahlen lässt (!K7).

Ed Piskor widmet sich im zweiten Band von „Hip Hop Family Tree“, seiner Graphic Novel über die Geschichte des Rap, den Jahren ’81-’83, als die Popularität von Rap durch die ersten Platten weltweite Aufmerksamkeit erfährt, Electro-Tracks entstehen und die härtere New School mit programmierten statt gespielten Beats in den Startlöchern hockt: Run DMC, die Beastie Boys und sogar Chuck D tauchen zum ersten Mal auf. Piskor hat für seine Geschichte des Rap nicht nur alle Fakten parat, er weiß auch, die mythischen Momente in zahlreichen Szenen anschaulich zu vermitteln. Auch wenn es ein Comic ist: Schon jetzt ein ähnlich gutes Standardwerk des Hip-Hop wie David Toops „Rap Attack“ (Metrolit).

Christian Meyer

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