In den letzten Monaten wurden die sechs großen amerikanischen Verleiher etwas genauer angeschaut. Zeit nunmehr, auch die deutschen Player unter die Lupe zu nehmen. Das Verleih- und Produktionsunternehmen Constantin kann als das wichtigste deutsche Filmunternehmen angesehen werden, in einigen Jahren erreichten ihre Filme höhere Marktanteile als die Produktionen der amerikanischen Marktführer. 1950 wurde das Unternehmen gegründet, verwertete die Filme der amerikanischen United Artists, verdiente viel Geld mit Karl May- und Edgar Wallace-Filmen, wurde an Bertelsmann verkauft, vom Verkäufer zurückerworben und ging 1977 in die Insolvenz. Aufs Engste verknüpft ist seitdem das Unternehmen mit dem Ausnahmeproduzenten Bernd Eichinger, der 1978 große Teile des konkursgegangenen Verleihs kaufte und diesen zunächst in Neue Constantin-Film umbenannte. Bis dahin hatte Eichinger sich als ausführender Produzent darum bemüht, Autorenfilmern wie Wim Wenders oder Edgar Reitz bei der Realisierung ihrer Projekte zu helfen. Der Durchbruch gelang ihm mit dem Aufbau einer eigenen Produktionsdivision und seinem ersten Film „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“. Der mit einem kleinen Budget versehene Film über den Drogenstrich in Berlin wurde ein großer Publikumserfolg und bestärkte Eichinger darin, eine Mischung aus Eigenproduktionen und angekauften Filmen zu finden, die sowohl ein künstlerisches Potenzial haben als auch den Nerv des Publikums treffen sollten. Nachdem er Wolfgang Petersens „Das Boot“ in die Kinos brachte, produzierte er auch dessen „Die unendliche Geschichte“. Der Erfolg dieser beiden Filme führt nicht nur Wolfgang Petersen nach Hollywood, sondern auch Bernd Eichinger. Mit „Der Name der Rose“, „Letzte Ausfahrt Brooklyn“, „Das Geisterhaus“, „Fräulein Smillas Gespür für Schnee“ und „Das Parfüm“ verfilmte er Bestseller für den gehobenen Mainstream-Markt und machte sich auch international einen Namen. Mit „Manta Manta“, „Salz auf unserer Haut“, „Der bewegte Mann“, „Voll normaal“, „Ballermann 6“, den Zeichentrickfilmen um „Werner“ und „Der Schuh des Manitu“ bediente er die unterschiedlichen Bedürfnisse des deutschen Publikums nach manchmal trivialen, manchmal gehobenen Komödien. Die Verfilmung des Videospiels „Resident Evil“ wurde zu einem besonders erfolgreichen Action-Franchise. „Der Untergang“ und „Der Baader-Meinhof-Komplex“ beschäftigten sich mit zwei der wichtigsten Kapitel deutscher Geschichte. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen, und natürlich gibt es auch zahlreiche Flops, die Constantin immer auch wieder in große wirtschaftliche Probleme brachte.
Der Kapitalbedarf der Filmproduktion führte zum Einstieg des Filmunternehmers Leo Kirch im Jahr 1986. Mit ihm konnte Eichinger seine ambitionierten Pläne realisieren. 1999 gelang Constantin ein erfolgreicher Börsengang, man strich das „Neue“ aus dem Namen, und ab dem Jahr 2002 beteiligte sich die Schweizer Medien-Holding „Highlight Communications AG“, die in den kommenden Jahren das Unternehmen vollständig übernahm. Seit 2009 gehört Constantin Film vollständig dem Schweizer Unternehmen und ist nicht mehr börsennotiert.
Trotz der enormen Erfolge blieben Eichinger deutsche wie internationale Preise und Trophäen für seine Filme verwehrt. Aber sein Einfluss auf den deutschen Film und das deutsche Publikum kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Der letzte Film, an dem er vor seinem Tod maßgeblich beteiligt war (Drehbuch), war die Verfilmung des Leidenswegs von Natascha Kampusch („3096 Tage“).
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