Eine sehr merkwürdige Ausstellung, also: konsequent merkwürdig. Das beginnt mit dem Titel, der einem Kapitel aus Lewis Carrolls „Alice hinter den Spiegeln“ entnommen ist, jener märchenhaften Erzählung zur Selbsterkenntnis. Carrolls Modell war besonders in den 80er Jahren ein Thema für die Künstler: Diese Künstlergeneration überwiegt nun in der Ausstellung der Düsseldorfer Kunsthalle, und es geht hier um Gegen- und Gleichsetzungen als visuelle, philosophische und gesellschaftliche Phänomene, übertragen in Werke, die eigene Anliegen visualisieren. Vielleicht ist auch die Ausstellung in den drei Sälen der Kunsthalle auf Korrespondenzen hin konzipiert? Und vielleicht war das ein Kriterium für die erstaunliche Auswahl der Künstler, die, ausgehend von Gerhard Richters großem Spiegel aus dem Bestand der Kunsthalle, puristisch, großzügig und ganz selbstverständlich gruppiert sind.
Astrid Klein, die zweifelsohne die Wiederentdeckung der Ausstellung ist, ist mit ihren Neon-Spiegel-Objekten ebenso vertreten wie Reinhard Mucha mit legendären frühen Arbeiten. Wirklich eine Neuentdeckung ist Aron Mehzion mit seinen im Kupfer reflektierten Passagen. Lili Dujourie wird von ihrer stärksten Seite gezeigt, also nicht nur mit den für sie typischen Spiegelarbeiten, sondern auch mit Bodenplastiken aus Metall, denen das Motiv der Spiegelung zugrunde liegt. Lediglich indirekt hat das Tableau digitaler Fotografien von Rosemarie Trockel mit dem Thema zu tun, dann identifiziert man aber die Selbstporträts und entdeckt schließlich das (aus einem aufgeschlagenen Buch abfotografierte) Porträt von Mario Merz, der selbst mit Neonröhren gearbeitet hat: Es hängt exakt gegenüber den Neon-Ketten von Astrid Klein.
Okay, wir vermissen Künstler, von Magritte über Dan Graham und Reiner Ruthenbeck bis zu Kader Attia. Aber hier geht es gerade nicht um eine Enzyklopädie, sondern darum, einer Idee ihre eigene Geschichte zu stricken. Die Ausstellung lohnt schon wegen vieler der Exponate, oder man nimmt mit Gewinn die gelegten Spuren auf. Selten fiel ein Kuratel so subjektiv aus und so objektiv anregend im Ergebnis.
„Schaf und Ruder“ | bis 27.11. | Kunsthalle Düsseldorf | 0211 899 62 43
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