Großes Gedränge und nerdige Filmfachgespräche im Foyer des endstation.kino. Zum bereits 24. Mal fand im gemütlichen Lichtspielhaus des Bahnhof Langendreer das „blicke – Filmfestival des Ruhrgebiets statt. Vom 23. bis 27. November standen insgesamt 39 Filme im Wettbewerb. Die Gewinner wurden bei der großen Preisverleihung am 26. November bekannt gegeben.
Der mit 1500 Euro dotierte blicke-Filmpreis ging an den Dokumentarfilm „Ferne Söhne“. Zu Recht. Denn Regisseur Andres Rump, der für sein Werk bereits beim DOK Leipzig ausgezeichnet wurde, porträtiert Flüchtlinge, die aktuell in einer Aachener Jugendunterkunft leben. Von ihren traumatischen Erlebnissen, ihren Ängsten, Sorgen aber auch ihren Hoffnungen und Träumen erzählen die Jugendlichen nur aus dem Off. Zu sehen gibt es nur ihren tristen Alltag, eingefangen in starren Schwarz-Weiß-Bildern. Andres vermeidet mit diesem Stil einen gewissen Voyeurismus und zeigt engagiertes Kino, das sich voll und ganz seinen Protagonisten verschreibt.
Die Armut zum Teil voyeuristisch dargestellt zu haben, das wurde im anschließenden Publikumsgespräch dem Beitrag „Valentina“ vorgeworfen. Der Film, der unter anderem bei der diesjährigen Berlinale lief, schildert das Leben der 10-jährigen Valentina und ihrer Familie in einer Armensiedlung in Skopje. Bei der Preisverleihung ging der Beitrag von Maximilian Feldmann und Luise Schröder leer aus. Dabei wird das Elend in „Valentina“ nicht bloß zur Schau gestellt: „Wir haben uns entschieden, dass wir nur die Gesichter und die Geschichten der Personen zeigen wollen“, erklärt Schröder. Das Ergebnis ist ein fast poetischer Neorealismus, der die Grenzen des eigenen Mediums reflektiert: Denn das Filmteam hat die Familie bezahlt, um sie in ihren Slums porträtieren zu können. Immerhin haben die beiden FilmemacherInnen etwa zurückgegeben: „Unser Ziel war, dass Valentina in die Schule kommt, und das haben wir auch geschafft“, so Feldmann.
Fast schon traditionell diskutierten die ZuschauerInnen nach den Aufführungen nicht nur mit den FilmemacherInnen, sondern entschieden auch über den Publikumspreis. Der ging in diesem Jahr an den Dokumentarfilm „Wo das Gras am höchsten wächst“. Die Essener Regisseure Philip Hallay und Christian Spieß begleiten darin nomadische ViehzüchterInnenfamilien in der mongolischen Hauptstadt Ulan Bator. Ein spannender Einblick in einen Alltag zwischen Tradition und Wandel.
Vergeben wurde in diesem Jahr auch der von trailer gestiftete Querdenker Preis, der an Juliane Henrich für ihren Filmessay „Aus westlichen Richtungen“ ging. Die Regisseurin erkundet darin den Beton gewordenen Mythos, das Gesellschaftsmodell der (frühen) Bundesrepublik: „Die Ideologie des Einfamilienhauses hat mich interessiert, wie sie in den 50er Jahren propagiert wird und immer noch zu Zersiedlung führt. Auf der anderen Seite fand ich die Großsiedlungen der 60er und 70er Jahre faszinierend und die ganz anderen politischen Konzepte, die ursprünglich dahinter standen.“ Ihr Film ist auch eine leise Systemkritik an diesem Modell. Ist es gescheitert? Das bleibt offen. Wie in so vielen Filmen bei diesem Festival: Alte Ruinen, aber neue Träume.
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