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Der Großstadtcowboy im Dienste der Pressefreiheit
Foto: privat/Ruhrbarone

„Wir können nicht aufhören zu schreiben“

28. Februar 2011

Stefan Laurin über die journalistische Internetplattform „Ruhrbarone“ - Über Tage 03/11

trailer: Herr Laurin, warum gibt es die Ruhrbarone?
Stefan Laurin: Die Ruhrbarone bieten eine sehr schöne Möglichkeit, Texte zu schreiben und zu veröffentlichen, die woanders nicht erscheinen. Wir können mit neuen Textformen experimentieren und viel schneller, als dies in anderen Medien möglich ist, auf Themen reagieren.

Bringen die Ruhrbarone eher ergänzende Texte oder stellen Sie Gegenöffentlichkeit her? Der Begriff Gegenöffentlichkeit wäre stark übertrieben. Wir sind nur ein Player in der journalistischen Landschaft im Ruhrgebiet und dazu noch ein sehr kleiner. Wir sehen uns auch nicht in der Rolle, gegen die anderen zu sein, sind als Blogger nur ein Teil der Medienszene. Bundesweit ist die Bloggerszene weniger Gegenöffentlichkeit denn Teil der Medienszene.

Können Sie das Wort Blog dem bislang nicht bloggenden Teil unserer Leser erklären? Ein Blog ist zunächst einfach eine technische Möglichkeit, Texte im Internet zu veröffentlichen. Die Beiträge erscheinen in der Reihenfolge der Eingabe. Der neueste Text steht immer oben.

Es gibt keinen Chefredakteur und keinen Verlag, der Ihnen reinredet?
Nö.

Warum nennen Sie sich eigentlich Barone? Sind Sie adlig? Im Moment ist der Adel ja wieder populär…
Nein, der Name stammt aus dem Jahr 2007 und da war Adel noch nicht so populär. Als wir uns damals im Freibeuter in Bochum trafen, fanden wir den Namen originell. Außerdem war die Webadresse noch frei, das war ja auch wichtig.

Aber Barone berichten in der Regel nicht kritisch über ihr Herrschaftsgebiet. Sind Sie kritisch?

Natürlich, aber wir sind nicht die einzigen. Die WAZ zum Beispiel berichtete doch nun sehr kritisch über die STEAG-Käufe der Stadtwerke.

Es geht aber das Gerücht um, dass die WAZ traditionell immer enge Verbindungen zur Landesregierung hat, egal zu welcher.

Ja? Nein, das war in den letzten Jahren nicht so. Die WAZ ist inzwischen sehr kritisch gegenüber dem Bergbau. Das war vor vielen Jahren noch undenkbar.

Vor kurzem erschienen die Ruhrbarone das zweite Mal auf Papier. Warum? Manche Geschichten sind so opulent, dass sie sich für das Internet nicht eignen. Das erste Heft ist gut gelaufen. Das zweite wird gerade verkauft. Wir arbeiten nun am dritten. Das Heft „Wir Großstadtcowboys“ ist mit 8,95 Euro für 120 Seiten zugegebenermaßen ein hochpreisiges Produkt.

Was sind die Ruhrbarone eigentlich für Leute?

Wir sind Journalisten, die ihre Arbeit so gern machen, dass wir sogar weiterarbeiten, wenn wir nicht bezahlt werden. Wir können nicht aufhören zu schreiben. Wir arbeiten ansonsten für den WDR, für die Welt am Sonntag, für die Frankfurter Rundschau, für die taz und viele andere Medien.

Sind Sie mit der übrigen Presselandschaft im Ruhrgebiet zufrieden?

Die Beschränkung der Presselandschaft im Ruhrgebiet hat weniger etwas mit den Medien zu tun als mit den Leuten, die hier leben. Viele Sachen gehen einfach nicht, weil die Sozialstruktur hier so ist wie sie ist.

Die Leute hier sind beschränkt?

So möchte ich das nicht ausdrücken. Aber wir haben hier nun mal ein anderes Publikum als in Frankfurt, Berlin oder Hamburg. Das Interesse der Leute hier ist noch sehr auf ihren Kirchturm beschränkt. Wie viele Leute fahren von Bochum nach Dortmund ins Theater? Insofern machen die Ruhrbarone ein Minderheitsprogramm für diejenigen, die sich für die gesamte Region interessieren. Ein Medium allerdings, das kommerziell erfolgreich sein will, muss den Hang der Menschen hier zu ihren Kirchtürmen immer auch berücksichtigen.

Hat das Kulturhauptstadtjahr in der Presselandschaft etwas verändert?

Nein, das war aber auch nicht zu erwarten. RUHR.2010 war ein Festivaljahr, mehr nicht. Vielleicht haben ein paar Menschen nun begriffen, wie groß das Angebot an kulturellen Einrichtungen hier ist. Es gibt eine Studie des Regionalverbandes Ruhrgebiet aus den neunziger Jahren, die aufzeigt, dass das Interesse der Menschen hier an kulturellen Themen eher gering ist. Das hat sich meines Erachtens so sehr nicht geändert.

Hat sich die Sicht der Welt auf das Ruhrgebiet geändert? Ich benutze absichtlich das Wort Welt, um die Frage doppeldeutig zu formulieren. Sie schreiben ja für die „Welt am Sonntag“.

Die „Welt am Sonntag“ berichtet in ihrer NRWAusgabe seit Jahren intensiv über das Ruhrgebiet. Es gab und gibt dort viele Autoren, die sich in dieser Ecke der Republik gut auskennen. Der Chefredakteur der NRW-Redaktion stammt aus Duisburg. Insgesamt hat das Feuilleton auch der anderen überregionalen Medien im ganzen Land während des Kulturhauptstadtjahres das Ruhrgebiet stärker beachtet. Ob dies so bleibt, ist aber zweifelhaft.

Wir wurden auch belächelt?
Teilweise schon. Das wurde von den Veranstaltern aber auch provoziert. Viele Aktionen haben sich mit den großen Problemen der Region überhaupt nicht auseinandergesetzt. Ein Projekt wie „Land for Free“, das dies hätte leisten könne, wurde ja abgesagt. Da muss man sich nicht wundern, wenn so etwas von außen als relativ profane Feier wahrgenommen wird. Wirkliche Probleme der Region, die Leerstände, der demographische Wandel, die teilweise illusionären Hoffnungen, die mit der Kreativwirtschaft verbunden wurden, sind nicht ernsthaft angegangen worden. Im Gedächtnis bleiben stattdessen das Stillleben, die Schachtzeichen und die Loveparade.

Der Journalist Stefan Laurin zeichnet verantwortlich für die Internetpräsenz
www.ruhrbarone.de

Interviewserie „Über Tage“: „Über Tage“ handeln, ohne „unter Tage“ zu vergessen. trailerruhr spricht mit streitbaren Menschen über das Ruhrgebiet.

INTERVIEW: LUTZ DEBUS

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