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Ilse und Karin Kaper im SweetSixteen.
Foto: Lisa Mertens

Verlust der Heimat

22. November 2012

"Aber das Leben geht weiter" im SweetSixteen - Foyer 11/12

Dortmund, 28.09. - Das Thema Flucht und Vertreibung nach dem 2. Weltkrieg ist in den letzten Jahren vermehrt in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Nun hat Karin Kaper eine Dokumentation gedreht, in der sie das Schicksal ihrer eigenen aus Polen vertriebenen Familie aufarbeitet, ein Schicksal, das der nach Polen vertriebenen Familie Zukowsca nicht unähnlich ist. Karin Kapers Mutter Ilse Kaper und deren Schwester Hertha Christ wurden 1946 von ihren Hof in Niederlinde in Niederschlesien vertrieben. Niederlinde heißt nun Platerówka und gehört zu Polen. Und der Hof wird von Familie Zukowsca bewirtschaftet, die ihrerseits 1940 aus Ostpolen vertrieben wurden. 1945 kam Familie Zukowsca über Sibirien und Kirgistan nach Niederlinde respektive Platerówka und erhielt von den Sowjets genannten Hof als Entschädigung. Jahrzehnte später wagen Ilse und Hertha zusammen mit Karin Kaper die Reise in ihre alte Heimat und treffen dort auf drei Frauen der Familie Zukowsca. Die Frauen blicken zurück auf die schrecklichen Ereignisse in den 40ern. Auf die Deportationen, die Gewalt, den Hunger und den Mangel. Die beiden Familien waren eigentlich Feinde, doch in ihrem Erlebten sind sie gleich.

Allerdings es war für Karin Kaper nicht einfach, ihre Mutter als auch Edwarda Zukowsca dafür zu gewinnen, offen vor der Kamera über ihre schrecklichen Erlebnisse während der Vertreibung und über ihren Heimatverlust zu sprechen. Ihre Mutter wollte die Vergangenheit nicht noch einmal aufwärmen, jetzt, da sie doch ein neues Leben führe, so Karin Kaper. Letztendlich sei es ihr sowie der Enkelin Edwardas, Gabriella, gelungen, die beiden Frauen von der Bedeutung ihrer Offenheit zu überzeugen. Um sensible Momente nicht auszuschlachten, habe sie beispielsweise eine besonders emotionale Erzählung Edwardas nur als Tonaufnahme wiedergegeben. Die Originalität sei ihr sehr wichtig gewesen. Rückblickende Ereignisse, als Ilse Kaper sich 1978 zum ersten Mal in das Dorf ihrer Jugend aufmachte, seien Originalaufnahmen im Super-8 Format. Insgesamt habe sie mit sehr begrenztem Film- und Tonmaterial arbeiten müssen. Nach der Fertigstellung des Filmes habe sie gezittert, wie Edwarda ihn empfinden würde. Nach der Vorführung aber begann diese als Zeichen ihrer Zustimmung zu singen. Sie habe von polnischer als auch von deutscher Seite viel Zustimmung erfahren, sagte Kaper. Polnische Familien konnten sich mit dem Film identifizieren und interessierten sich auch für die deutschen Vertriebenen, die wie sie nach dem Krieg großes Leid durchlebten. Die Zuschauer im SweetSxteen waren ebenfalls von dem Film, besonders von der Offenheit der Frauen, ergriffen. Einige waren über eben diese Offenheit sehr verwundert, hüllten sich die Vertriebenen in ihren Familien doch in großes Schweigen.

Mit ihrem Film hofft Karin Kaper einen Beitrag geleistet zu haben für die Aufarbeitung der Zeit der Vertreibung und zum Thema Heimat. Die Premiere auf dem Neiße-Filmfestival in Zittau war bereits vielversprechend und auch auf ihrer Tour durch Deutschland habe sie nicht nur die ältere Generation angesprochen, sondern ebenfalls in Schülern das Interesse für diese Thematik geweckt.

LISA MERTENS

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