In der deutschen Kunst der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nimmt der Mülheimer Maler Heinrich Siepmann (1904-2002) einen festen Platz ein: als Künstler, der die Parameter der konkreten Malerei ausgelotet hat, und als Mitglied der Recklinghäuser Künstlergruppe „junger westen“, die sich 1948 gegründet hat. Die sechs Künstler lieferten avantgardistische Beiträge in den Jahren des Wiederaufbaus im Ruhrgebiet. Die Kabinett-Ausstellung im Kunstmuseum Mülheim, die aus Anlass seines 110. Geburtstags und der Re-Installation seines Mosaiks im Rathaus-Neubau stattfindet, verdeutlicht nun mit wenigen Arbeiten auf Papier, wie Siepmann den Weg von der konventionellen figürlichen Darstellung in die konstruktive Bildorganisation gefunden hat. Ausgestellt sind Bilder zwischen 1932 und 1999, flankiert von Werken seiner Mülheimer Kollegen, darunter Werner Graeff, Ursula Hirsch und Kurt Rehm. Siepmanns realistisches frühes Werk umfasst Figuren und Landschaften. Nach dem Krieg verknappt er die Landschaft, exemplarisch dafür stehen das Bild „Dubrovnik“ (1951) sowie Darstellungen, die noch die Industrieanlagen mit ihrer konstruktiv-geometrischen Formensprache andeuten. Bei Siepmann führt dies über die lyrische Abstraktion in die ungegenständliche Auseinandersetzung mit Farben und Formen, wobei er zeitweilig neben Linien und Farbfeldern auch mit Kreissegmenten arbeitet. Immer wichtiger wird die schräge Ausrichtung einer Partie. Siepmann bezieht dazu collagierte Stücke ein, er handelt mit der Struktur und den Texturen der Collagen-Elemente und rhythmisiert die leere Bildfläche.
Mit ihrer Auswahl verdeutlicht die Mülheimer Ausstellung, wie souverän Siepmann in seiner Kunst experimentiert hat und zu immer neuen Bildlösungen gekommen ist. In Bezug auf die konstruktive Kunst war er tatsächlich ein Freigeist, der Ordnung auf der Bildfläche brauchte, um sie zu durchbrechen. Ganz unspektakulär, im kleinen Format, gewinnt er Erkenntnisse des Sehens und Differenzierens. Wie schön, dass es diese Ausstellung gibt.
„Hommage à Heinrich Siepmann“ | bis 16.11. | Kunstmuseum Mülheim a.d.R. | 0208 455 41 38
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