Essen. 1.12. - Persönlich stellte der österreichische Schauspieler Karl Marcovics sein Regiedebut "Atmen" im Filmstudio Glückauf vor. Es ist die intensive Arbeit der Schauspieler, die das Publikum am meisten überzeugte. Allen voran Thomas Schubert, den Marcovics entdeckte für die Hauptrolle des jugendlichen Delinquenten im Wiener Strafvollzog. „Ich habe noch nie so ein Talent erlebt wie diesen jungen Menschen“, der nur zufällig einen Freund zum Casting begleitete und umwerfend natürlich in seiner Zurückgenommenheit gewirkt habe, so der Regisseur. Behutsam spinnt er seine Geschichte um das Heimkind Roman Kogler.
Immer schon wollte Markovics Geschichten erzählen und es reizt ihn, dies über seine schauspielerische Arbeit hinaus zu tun, was ihm das Drehbuchschreiben und Regieführen erlaubt. Eine Geschichte beginne für ihn immer mit einem Bild, in diesem Fall das einer toten Frau in ihrer Wohnung. Von da spinne sich die Story assoziativ immer weiter, und es ist eine Serie von Zufällen aus denen sich etwas ergibt: eine Figur führt zur Nächsten, eine Handlung führt zwangsläufig zu etwas anderem. Dabei soll möglichst wenig erklärt werden, um den Zuschauern Raum zu lassen, damit sie sich ihr eigenes Bild machen können. Die Hauptarbeit sei in allen Phasen dieses Films die Reduktion gewesen. Beginnend beim Drehbuchschreiben, dann in der Arbeit mit den Schauspielern und schließlich im Schnitt habe man nach dem Konzentrat gesucht. Mit wie wenig Information lässt sich der Film erzählen?
Ein Praktikum soll dem 19-Jährigen Roman, der zu niemandem recht Zugang findet, die Eingliederung nach seiner Haftstrafe erleichtern. Ausgerechnet für ein Bestattungsunternehmen bewirbt er sich und findet inmitten all des Todes Lebensmut. Mit dem Motto „die richtige Leiche zur richtigen Zeit im richtigen Sarg zum richtigen Ort“, begrüßen ihn die ruppigen Kollegen, darunter der wunderbare Georg Friedrich als harter Klotz mit weichem Herz. Wie der Regisseur zu dem Klischee des Morbiden in der österreichischen Befindlichkeit stehe, interessiert einen Zuschauer. Es sei nicht der Tod, sondern das Leben oder höchstens das Sterben, über das man sprechen könne, findet Markovics und fügt augenzwinkernd hinzu: „Wir machen solche Filme, weil sie sonst keiner macht.“
Was die Recherche anging war ihm klar, dass er das Milieu kennenlernen müsse. Als bekannter Schauspieler sei es einfach gewesen, an die richtigen Leute zu kommen und er konnte – entgegen seiner Befürchtungen – beispielsweise beim Bestattungsunternehmen frei hinter die Kulissen schauen und die Leute bei ihrer Arbeit begleiten. In den Jugendknast sei er nur über halb-offizielle Kanäle und eine engagierte Anstaltsleiterin gelangt. Ohne diese wertvolle Zeit der Recherche wäre die Geschichte nicht zu schreiben gewesen. Und nicht zuletzt, weil er als Filmemacher will, dass der Film irgendwie gut ausgeht, ist ihm ein sehr menschlicher Einblick gelungen.
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