Michael Sandle, der bedeutende gesellschaftskritische Bildhauer aus London, der zweimal zur documenta eingeladen wurde und lange an der Kunstakademie Karlsruhe als Professor unterrichtet hat, ist authentisch. „Ich gelte als ‚Troublemaker‘“, knurrt Sandle in seiner Ausstellung im Skulpturenpark Waldfrieden. „Ich bin kein Sunnyboy, sondern ein Pessimist“. Diese nachdenkliche, dabei zutiefst humanistische Haltung hat bei ihm den Blick für das Vokabular der Gewalt und die Strategien der Macht geschärft.
Vorgetragen mit den Mitteln eines verknappt schematisierten Realismus zeigt er die Zerstörungswut und Entmenschlichung im Krieg. Als Fünfjähriger habe er in Plymouth den Ausbruch des Weltkrieges in England erlebt: „Das bleibt für immer.“ Sandle transzendiert seine Erfahrungen und die Bildgewalt der Massenmedien. In der Ausstellung im Skulpturenpark, die einen konzentrierten Einblick über drei Jahrzehnte liefert, bezieht er sich auf konkrete Ereignisse, den Zweiten Weltkrieg, den Falkland-Krieg, den Irak-Krieg. Die Figuren sind verhüllt, wirken mitunter wie Roboter.
Ein Topos, der sich durch sein gesamtes Werk zieht, ist das Denkmal, gegeben mit Stufungen, die einerseits einbeziehen, andererseits auf Abstand halten, insbesondere als Katafalk mit einem aufgebahrten Soldaten. Die Mobilität wiederum erweist sich als Sujet, das auch zu alltäglichen Katastrophen hinführt, im Schiff, der Eisenbahn, dem Flugzeug (und von diesem aus). Damit sind bestimmte stilistische Referenzen angesprochen, die Sandle geprägt haben: der Surrealismus, die Pittura metafisica und der Futurismus.
Bis auf eine der teils modellhaften, teils monumentalen Arbeiten – eine Pietà in Holz – sind alle seine Skulpturen aus Bronze, in der Patinierung wechselnd zwischen Grünspan, tiefstem Schwarz und einem weichen Graphit. Mit diesem Material erheben sie Anspruch für die Ewigkeit. Tatsächlich gehört Sandle, der ebenso ein vorzüglicher Aquarell-Maler ist, zu den international bedeutenden Bildhauern im öffentlichen Raum. Und hier werden seine Aussagen allgemein menschlich: Es geht um die Begrenztheit des Lebens, das Sterben – und einen respektvollen Umgang miteinander.
Michael Sandle – Skulpturen | bis 1.6. | Skulpturenpark Waldfrieden, Wuppertal | 0202 47 89 81 20
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