trailer: Herr Dobusch, passt die Europäische Kulturhauptstadt in eine knapp 200.000 Einwohner zählende Stadt?
Franz Dobusch: Es gab in der Vergangenheit sehr große, aber auch eher kleine Städte. Genua und Stavanger sind ähnlich groß wie Linz, Istanbul natürlich viel größer. Linz ist die drittgrößte Stadt Österreichs. Außerdem geht es nicht darum, besonders große, sondern besonders markante Städte auszuwählen. Essen ist ja auch nicht die Metropole Deutschlands.
Birgt Ihre Größe auch Vorteile?
Natürlich. Die Stadt ist überschaubar. Man kann sehr enge Netze knüpfen.
Was können Sie den Organisatoren von RUHR.2010 mit auf den Weg geben?
Es sollten rechtzeitig alle Entscheidungen über das Management und über das Budget gefällt werden. Es sollten rechtzeitig Programme entworfen und veröffentlicht werden. Und ganz wichtig: Die Politiker sollten sich in die Programmgestaltung nicht einmischen.
Das haben Sie nicht getan?
Grundsätzlich nicht. Wir haben wirklich die Intendanz arbeiten lassen.
Wie hoch sind die öffentlichen und privaten Zuschüsse für LINZ09?
Die öffentlichen Zuschüsse der drei Gebietskörperschaften Bund, Land und Stadt betragen je 20 Millionen Euro. Dazu kommen 7 Millionen Euro Sponsoring aus der Linzer Wirtschaft.
Haben sich die Zuschüsse ideell oder gar finanziell gelohnt?
Ich glaube schon. Generell haben wir im Bereich Tourismus in Österreich eine schwierige Zeit. Linz aber verzeichnet in diesem Jahr trotz der Wirtschaftskrise in diesem Wirtschaftszweig ein Plus. Finanziell hat sich die Kulturhauptstadt für uns also schon gelohnt. Aber es geht nicht nur um die reinen Geldwerte, es geht auch um den emotionalen Nutzen. In der Stadt hat sich eine sehr positive Stimmung durch die Kulturhauptstadt entwickelt. Die Zukunft wird trotz der weltweit schwierigen Wirtschaftslage positiv gesehen.
Hat die Finanz- und Wirtschaftskrise auch Auswirkungen auf die Kulturhauptstadt?
In der letzten Phase der Vorbereitungen wurde es schwerer, finanzielle Unterstützungen aus der Wirtschaft zu bekommen. Es sind alle vorsichtiger geworden. Die großen Beträge, die wir vor einem Jahr erhielten, hätten wir heutzutage nicht mehr bekommen.
Im Ruhrgebiet brechen gerade die Fördermittel weg. Kann man Kulturhauptstadt auch mit weniger Geld machen?
„Ohne Geld koa Musi“, heißt es bei uns. Allerdings ist mit Geld Kreativität nicht kaufbar. Andererseits braucht es schon eine gewisse Basisausstattung, sonst kann man auch die kreativsten Ideen nicht umsetzen. Man muss das natürlich auch in einem größeren Zusammenhang sehen. Die Zuschüsse, die die Stadt und auch Land und Bund in einem Zeitraum von vier Jahren gezahlt haben, sind verkraftbar.
Inhaltlich befasst sich LINZ09 auch mit der Zeit des Nationalsozialismus. Hat das Sinn gemacht?
In Linz beschäftigen wir uns seit vielen Jahren mit dem Thema. So haben wir dies auch bei unserer Bewerbung zur Kulturhauptstadt mit berücksichtigt. Das ist von Brüssel sehr positiv gesehen worden. Im Landesmuseum haben wir nun eine große, stark besuchte Ausstellung mit dem Titel „Kulturhauptstadt des Führers“. Außerdem wird an vielen öffentlichen Plätzen dokumentiert, was zu jener Zeit dort geschah.
Linz war Zentrum der Schwerindustrie. Spielt das auch eine Rolle bei dem Programm der Kulturhauptstadt?
Linz ist eine Stadt der Arbeit und der Kultur. Die Arbeit war immer selbstverständlich. Wir haben noch immer mehr Arbeitsplätze als Einwohner. Wir haben noch immer eine hervorragende Schwerindustrie. Nun vernetzen wir diese Industriestrukturen mit kulturellen Strukturen. Das erscheint mir sehr wichtig.
Thematisieren Sie auch die Ökologie?
Im Schloßmuseum gibt es eine große Ausstellung über das „Grüne Band Europas“. Dabei geht es um den Eisernen Vorhang, der sich quer durch den Kontinent zog und dadurch nun einen unberührten Naturraum geschaffen hat. Wie mit diesem Raum in Zukunft umgegangen wird, ist ein spannendes Thema. Die Begriffe Industrie, Kultur und Natur sind von der Kulturhauptstadtintendanz verwendet worden und ziehen sich durch das Programm.
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