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Jan Stefan Kolbe im Fiilmgespräch.
Foto: Betty Schiel

Gegenprogramm oder Sektenstruktur?

12. Juni 2013

„Rot sind die Füchse“ im Endstation Bochum – Foyer 06/13

Bochum, 13. Mai – Jan Stefan Kolbe hat drei Menschen mit der Kamera begleitet, die bei den Rotfüchsen waren, der Kinder-Organisation der MLPD, und er rundet das Bild seines Portraits ab mit Beobachtungen von aktuellen Kinder-Sommercamps der Partei. Kolbe betonte, dass er einen offenen Film machen wollte, in dem es ihm nicht um politische Botschaften gegangen sei. Das Publikum im Endstation.Kino lieferte sich nach der Vorführung eine heftige Debatte; anscheinend hatten die Zuschauer den differenzierten Blick des Regisseurs sehr unterschiedlich gewertet. Einige zeigten sich geschockt von der dogmatischen Struktur des Parteigefüges, andere konnten sich mit dem gezeichneten Bild gut identifizieren.

Interessanterweise konnte man sich in der Debatte nicht darauf verständigen, ob der Regisseur die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands einer recht herben filmischen Kritik unterzog oder eher wohlwollend neutral das Tagesgeschäft der linken Erziehung portraitierte. Und diese Diskrepanz ließ sich auch in Anwesenheit des Regisseurs, der sich eher zurückhielt, in einem langen Gespräch nicht auflösen. Und so ähnelte die Diskussion über weite Strecken eher einem politischen Grabenkampf als einem Filmgespräch.

Auf das Thema war Kolbe gekommen, da er selbst aus einem kommunistischen Elternhaus stammt und früher bei den Rotfüchsen war. Er sagte, er habe sich mittlerweile von diesem politischen Umfeld gelöst, hätte sich aber weiter für die Lebenswege der alten Weggefährten interessiert. Dabei sei er erstaunt gewesen, wie viele dabei geblieben sind und dass relativ viele der ehemaligen Rotfüchse heute als Fabrikarbeiter in Großbetrieben beschäftigt sind. Eine von ihnen ist Anne, für die die Wahl ihres Arbeitsplatzes als Industriemechanikerin eine politische Entscheidung ist, um sich im Betrieb für den Klassenkampf zu engagieren. Neben Gabi, der NRW-Spitzen-Kandidatin der MLPD lernen wir Peter kennen, der als Aussteiger versucht, sein Leben neu zu sortieren. Der vierte Protagonist ist für Kolbe die Kindergruppe, die er vor allem im Sommerlager aufsucht: Lagerfeuerromantik und Partisanenlieder, Zeltvisiten mit anschließendem Punkte-Wertesystem, „eine Mischung aus Heilsarmee und den Zeugen Jehovas irgendwo zwischen Pfadfindern und Spiel ohne Grenzen“, wie es die Zuschauer formulieren. Eine anti-faschistische, sozialistische Erziehung, die Gewalt für die revolutionären Ziele zum Sieg über den Kapitalismus durchaus nicht ausschließt.

Mitglieder des Jugendverbands Rebell dankten für den „anregenden Einblick“ und konstatierten, dass Kinder im Alltagsumfeld ja auch kapitalistisch geprägt würden und da könne ein linkes „Gegenprogramm“ nur recht und billig sein. Hier hätte man es mit weniger Zwang zu tun als Kindern sonst in Kirche und Schule angetan würde. „Andere machen ja auch Propaganda.“ Das Anwerben von Kindern auf dem Spielplatz, das man in der letzten Szene des Films sieht, sei für sie nicht negativ zu werten. Dies nicht unkommentiert stehen lassend, meldeten sich andere zu Wort, die geschockt waren „von der Verharmlosung der stalinistischen Struktur und einer sektenmäßigen Organisation, die die Mitglieder der MLPD nicht wahrnehmen wollen.“ Seit Jahrzehnten würden dieselben Strukturen und Bilder betonartig zementiert, für Veränderung sei kein Platz, was sich u.a. ausdrücke in der Außendarstellung der „total unansprechenden Plakate“. Negative Reaktionen und auch konstruktive Kritik scheinen allerdings an den Partei-Genossen, die ständigen Anfeindungen ausgesetzt sind, abzuperlen und entweder als anti-kommunistische Propaganda oder gar nicht wahrgenommen zu werden. Und während die eine Seite davon spricht, dass der Film für Außenstehende die Chance bietet, sich ohne Vorurteil eine Meinung über die MLPD zu bilden, verweist Jan Stefan Kolbe zuletzt darauf, dass er auch umgekehrt die Chance für MLPD-Mitglieder bietet, sich einer kritischen Rückmeldungen auch mal anzunehmen.

BETTY SCHIEL

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