Die Journalistin Flaurence Aubenas hat es wie Günter Wallraff Anfang der 80er Jahre für „Ganz unten“ gemacht: Ohne Kontakt zu ihrem bisherigen Leben jobbt sie im Hamsterrad einer Putzkolonne im nordfranzösischen Caen, die die Kanal-Fähren im Akkord reinigen. Juliette Binoche spielt die Rolle der recherchierenden Autorin, die in ihrem Doppelleben nicht nur auf harte Schicksale, sondern auch auf neue Freundinnen trifft und nun zunehmend in Gewissensnöte gerät. Denn sie kehrt ja bald wieder zurück zu ihrem alten Leben. Emmanuel Carrère inszeniert das von starken Frauen geprägte Drama „Wie im echten Leben“ im fast dokumentarischen Stil und thematisiert auch die moralische Problematik einer solchen Recherche-„Reise“. Gedreht wurde außer im Fall der Hauptdarstellerin vor allem mit Laiendarstellerinnen.
Julius ist ein sympathischer und offener Typ. Er hat keine Schwierigkeiten, Anschluss zu finden, und bringt auch gerne andere zusammen. Den neuen Kollegen, der wie er als Museumswärter jobbt, lädt er gleich zu seinem mit Freunden geplanten Bootsausflug ein. Doch es kommt etwas dazwischen – nicht zum ersten Mal. Und dann ghostet er seine Freunde – bricht den Kontakt ab. Nur zu seiner Freundin nicht. Für die ist er allerdings ein erfolgreicher Architekt, während er in seiner WG die Miete kaum zahlen kann. Moritz von Treuenfels verkörpert die verschiedenen „Juliusse“, die er als zwanghafter Lügner spielt, beeindruckend. Wenn sich dann Risse in seinen Erzählungen auftun, hält man das vor Fremdscham kaum aus. Regisseur Jöns Jönssons und sein Hauptdarsteller bleiben in ihrer Tragikomödie „Axiom“ (Odeon, Weisshaus) unbarmherzig dran, ohne zu psychologisieren.
Außerdem neu in den Ruhr-Kinos: Marc Parramons und David Fernández de Castros Trans*-Dokumentarfilm „Mein Name ist Violeta“, Mariano Cohns und Gastón Duprats Filmbusiness-Satire „Der beste Film aller Zeiten“, Ronny Trockers Gesellschaftsthriller „Der menschliche Faktor“ und Nahuel Lopez' Road-Doku „Dear Memories – Eine Reise mit dem Magnum-Fotografen Thomas Hoepker“. Dazu starten Ed Perkins' Diana-Doku „The Princess“, Timo Jacobs' Comedian-Tragikomödie „Stand Up! Was bleibt, wenn alles weg ist“, Thorsten Kleins Biopic „Abenteuer eines Mathematikers“ und Kyle Baldas, Brad Ablesons und Jonathan Del Vals Gelber-Helferlein-Spaß „Minions – Auf der Suche nach dem Mini-Boss“.
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