Auch bei seinem neuesten Film „Helden der Wahrscheinlichkeit – Riders of Justice“ wirbelt Anders Thomas Jensen Stile und Stimmungen wild durcheinander - und vereint Elemente der Komödie, des Charakterdramas und der Rächerstory mit philosophischen Ansätzen. Bei einem S-Bahn-Unglück verliert Mathilde (Andrea Heick Gadeberg) ihre Mutter, von ihrem als Soldat im Auslandseinsatz weilenden Vater Markus (Mads Mikkelsen mit graumeliertem Rauschebart) ist sie entfremdet. Otto (ebenfalls kaum wiederzuerkennen mit Vollbart: Nikolaj Lie Kaas) war auch in der S-Bahn und vermutet, dass es sich um einen gezielten Mordanschlag handelte, weil auch ein Kronzeuge in einem Prozess gegen eine Rockerbande dabei ums Leben kam. Mit seinen Kumpels Lennart (Lars Brygmann) und Emmenthaler (Nicolas Bro) überzeugt er auch Markus von der Theorie, welcher daraufhin auf einen privaten Rachefeldzug ins Rockermilieu geht. Anhand der Gesetze der Wahrscheinlichkeit entspinnt Anders Thomas Jensen eine immer wieder neue Haken schlagende Geschichte um Schicksal und Zufälle, die sein Publikum zum Nachdenken anregt. Immer wieder gibt es dabei so skurril-überzogene Situationen, dass man sich als Liebhaber schwarzen Humors bestens amüsieren kann. Aber Jensens Drehbuch ist ausgefeilt genug, um seinen Schwerpunkt auf die dramatischen Verwicklungen zu setzen, die das Geschehen vorantreiben und dem Zuschauer die Figuren ans Herz wachsen lassen.
Gerade aus dem Knast raus, legt sich Babtou (Farba Dieng) direkt mit der Polizei an, die ihm kurzerhand die Aufenthaltsgenehmigung aberkennt. Babtou, senegalisch verwurzelt, in Deutschland geboren, setzt fortan alles daran, zu bleiben. Tatkräftige Unterstützung erfährt er durch Kumpel Dennis (Julius Nitschkoff, „Als wir träumten“). Letzte Hoffnung bleibt die Zweckehe. Als ihm seine verflossenen Affären reihenweise die Tür vor der Nase zuschlagen, bleibt Babtou nur noch eine Hoffnung: Dennis. Frisch weg von der Filmschule, serviert Florian Dietrich mit „Toubab“ ein knackiges und sehr unterhaltsames Spielfilmdebüt. Dass er angesichts der Thematik die allgegenwärtige Klischee-Falle umschifft, ist ihm dabei hoch anzurechnen. Das ist nicht zuletzt dem gelungenen Ende zu verdanken, mit dem Dietrich (auch Co-Autor) darüber hinaus zu berühren weiß. Über kleinere Makel darf man hinwegsehen, und die überspielen die zwei Hauptdarsteller ohnehin mit jeder Menge Charme und Spielfreude. Flott, witzig, sympathisch!
Die Krankenschwester May Bjerre Eiby hat in Nordseeland, Dänemark, ein privates Altersheim für Menschen mit Demenz gegründet. Ihr Konzept beruht auf einer neuartigen Pflegemethode, wonach man den Medikamenten entwöhnt wird und stattdessen der Augenblick gelebt wird: mit Umarmungen, Nähe und auch mal einem Glas Portwein. Louise Detlefsens Doku „Mitgefühl - Pflege neu denken“ begleitet Bewohner und Personal.
99,7% der menschlichen DNS sind gleich, lediglich die 0,3% machen den Unterschied zwischen biologischen Männern und biologischen Frauen. Ist es angesichts dieser Zahlen überhaupt noch ratsam, in diese beiden strikten Kategorien zu unterteilen Imogen Kimmel und Doris Metz haben sich in ihrer Dokumentation „Trans – I Got Life" intensiv mit sieben transsexuellen Menschen beschäftigt, die aus den unterschiedlichsten Umfeldern stammen, zu ganz unterschiedlichen Zeitpunkten in ihrem Leben den befreienden Schritt der Transition vollzogen haben und vor der Kamera tief in ihr Seelenleben blicken lassen.
Außerdem neu in den Ruhr-Kinos: Philipp Stölzls Neuverfilmung „Schachnovelle“ und Amber Sealeys Verhördrama „Ted Bundy: No Man of God“.
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