Als der 1962 geborene deutsch-türkische Regisseur Thomas Arslan 2010 mit „Im Schatten“ den ersten Teil seiner geplanten „Trojan“-Trilogie drehte, war man doch erstaunt, dass es ausgerechnet einem Regisseur der überschätzten Berliner Schule gelungen war, das hierzulande sträflich vernachlässigte Genre-Kino wiederzubeleben. Nun hat es leider 14 Jahre gedauert, bis Arslan seinen Berufskriminellen wieder durch den Großstadtdschungel schickt. Diesmal soll er im Auftrag eines Sammlers Caspar David Friedrichs Gemälde „Frau vor der untergehenden Sonne“ aus einem Museum stehlen. Die zum Schein als Vermögensberaterin arbeitende Rebecca (Marie-Lou Sellem) vermittelt den Coup und Trojan macht sich mit seinem Team – dem Ex-Kumpel Luca (Tim Seyfi), der Fluchtwagenfahrerin Diana (Marie Leuenberger) und dem Computerexperten Chris (Bilge Bingül) – an die Arbeit. Doch der zwielichtige Auftraggeber will plötzlich nicht mehr zahlen und beauftragt einen brutalen Killer (Alexander Fehling), das Gemälde in seinen Besitz zu bringen. „Verbrannte Erde“ ist wie „Im Schatten“ kein Action-geladener Thriller, sondern ein Film der genauen Beobachtung. Und trotz der relativen Langsamkeit, mit der uns die Geschichte erzählt wird, entwickelt der Film eine Spannung, der man sich schon bald nicht mehr entziehen kann. Das liegt auch am charismatischen Spiel des Deutsch-Kroaten Mišel Matičević, der zwar zu unseren bekanntesten TV-Darstellern gehört, vom deutschen Kino aber vernachlässigt wird. Länder mit einer ausgeprägten Filmkultur hätten einen, der an einen Typen wie Alain Delon erinnert, zum Kinostar und Publikumsmagneten aufgebaut. Immerhin gelingt es Thomas Arslan mit seiner präzisen und stilvollen Inszenierung, die Erinnerungen an den französischen Film-Noir eines Jean-Pierre Melville (u.a. „Vier im roten Kreis“, 1970) aufleben zu lassen.
Die Kinderbuch- und Comicautorin Juliette (die Schauspielerin und Sängerin Izïa Higelin) reist in ihre provinzielle Heimat, um sich von den Strapazen ihres Pariser Lebens zu erholen. Mit im Gepäck: Ein paar Klamotten zum Wechseln, kleine Depressionen und Angstattacken. Sie kommt bei ihrem alleinlebenden Vater unter, der kein Mensch der vielen Worte ist und nicht ganz zu Unrecht befürchtet, dement zu werden. Unweit wohnt Juliettes Schwester, die mit zwei kleinen Kindern voll ausgelastet erscheint, immer leicht gereizt oder nah am Nervenzusammenbruch. Das liegt aber auch an ihrem kleinen Geheimnis, der Liaison mit einem anderen Mann. Außerdem wäre da noch die überdrehte Mutter, die ihr Glück ebenfalls in Liebschaften sucht und neuerdings ihre Weiblichkeit in großen, expliziten Ölgemälden auslebt. Die Ruhe, die Juliette hoffte, hier zu finden, findet sie nur in einer neuen Bekanntschaft: dem Untermieter im Haus ihrer Großmutter, die kürzlich ins Heim gezogen ist. So wie die farbenfrohe, zunächst etwas naiv wirkende Comicvorlage erscheint auch „Juliette im Frühling“ wie eine dieser leichten französischen Komödien. Doch unter dem leichten Tonfall steckt viel Tiefe. Zum einen werden die Figuren mit viel Zuneigung facettenreich mit hellen und dunklen Seiten gezeichnet. Zum anderen nimmt sich die Geschichte auch Zeit, die Kleinstadt mit ihrem Alltag, ihren wiederkehrenden Routinen, ihrem Tratsch, aber auch der Hilfsbereitschaft – zu zeigen.
Außerdem neu in den Ruhr-Kinos: Rose Glass' weiblicher Rachetrip „Love Lies Bleeding“, Kurt Langbeins Sebastian-Kurz-Doku „Projekt Ballhausplatz“, Levan Akins etwas andere Istanbul-Reise „Crossing: Auf der Suche nach Tekla“ und Gabriela Cowperthwaites Science-Fiction-Thriller „I.S.S.“. Dazu startet bereits am Mittwoch Lee Issac Chungs Katastrophenfilm „Twisters“.
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