Hitchcock
USA 2012, Laufzeit: 98 Min., FSK 12
Regie: Sacha Gervasi
Darsteller: Anthony Hopkins, Helen Mirren, Scarlett Johansson, Toni Collette, Danny Huston, Jessica Biel
>> www.hitchcock-derfilm.de
Elegant gewitztes Drama
Angstschweiß und Geschrei
„Hitchcock“ von Sach Gervasi
Kinobiografien über Filmregisseure sind rar gesät. Robert Downey Jr. verkörperte 1992 „Chaplin“, zwei Jahre später mimte Johnny Depp „Ed Wood“, den Tim Burton schon vergleichsweise losgelöst anlegte und mit filmisch phantastischen Elementen aus dem Kosmos des Ed Wood verband. Noch absurder wurde es dann im Jahr 2000 mit “Shadow of the Vampire”, der Friedrich Wilhelm Murnau (John Malkovich) surreal bei den Dreharbeiten zu „Nosferatu“ begleitete. Die Realität bildete hier bloß noch den Rahmen für ein irrwitziges Drama, in dem sich Vampirdarsteller als wahrhaftige Vampire entpuppten. Wie Steven Soderbergh in „Kafka“ ließ man sich eher vom Werk selbst inspirieren als von der Biografie des Künstlers. Offenkundig stoßen derlei filmische Ausritte besonders auf Interesse bei Künstlern, die sich dem Erschrecken verschrieben haben. Die Idee, Alfred Hitchcock eine cineastische Ehrung zu erteilen, scheint entsprechend naheliegend. „Anvil“-Regisseur Sach Gervasi nahm die Sache in die Hand und konzentriert sich auf die Schaffensphase, zu der Hitchcock an einem Projekt arbeitete, das die Zuschauer weltweit mit Angstschweiß und lautem Geschrei in den Kinosesseln zurückließ: Das Drama begleitet den Regisseur bei der Produktion zu seinem 47. Spielfilm: „Psycho“ von 1960.
Was zuallererst überraschen mag: Gervasi geht es komödiantisch an. Die Wortgefechte, die sich der britische Regisseur (Anthony Hopkins) mit seiner schlagfertigen Gattin Alma (Helen Mirren) liefert, die Diskussionen Hitchcocks mit der Zensurbehörde und der Blick auf die Macken aller Künstler – dieser Film sprüht vor Charme und schwarzem Humor und wird mit entsprechender Leichtigkeit getragen. „My Week with Marilyn“ lieferte eine vergleichbare tragikomische Betrachtung der Filmsets. Zugleich, und das macht „Hitchcock“ umso wertvoller, bietet er bei aller Leichtigkeit Einblicke in die Seele des Filmemachers, zeigt, mit welcher Leidenschaft Hitchcock ein Projekt verteidigt, dem die Filmstudios jegliche Relevanz absprechen. Denn es ist ein Film über einen Serienkiller. Ein Film voller Tabus. Ein Film, in dem die Hauptdarstellerin mitten im Film stirbt. Hitchcock und Alma stemmen „Psycho“ schließlich selbst - und schreiben mit ihm Filmgeschichte.
„Psycho“ beruht auf einem Roman, der sich an das Leben von Ed Gein anlehnt, einem psychisch kranken Mörder aus Wisconsin, der dazu neigte, Leichen zu präparieren. Schon die Eröffnungssequenz von „Hitchcock“ spielt liebevoll mit tatsächlichem Horror, dem Hitchcock als zynischen Kommentator und Inszenator anheim gestellt wir, wie man ihn aus seinen Fernsehauftritten kennt. Wie in „Ed Wood“ verschachtelt Gervasi das Biografische mit dem kreativen Output des Regisseurs. Dabei geht er soweit, dass Ed Gein schließlich zum Dämon Hitchcocks erwächst, mit dem der Regisseur Zwiegespräche führt. Ein narrativer Kniff, der sich aber nicht wirklich erschließt. Auch Hitchcocks Obsessionen, die er hinsichtlich seiner blonden Hauptdarstellerinnen pflegt, bleiben nur angerissen und unbefriedigend halbgar thematisiert.
Wesentlich glaubwürdiger ist der Konflikt Hitchcocks dargestellt, den er mit Alma durchläuft. Egoismus, Eifersucht, Selbstzweifel, Alkohol, Feigheit und Unmut zur Aussprache kulminieren darin zur Ehekrise. Das verleiht dem Komödiantischen noch die gesunde tragische Note, deren Auflösung am Ende zwar verklärt daher kommt – aber schön. Ein elegant inszeniertes und formuliertes Drama, das sich nicht immer allzu ernst nimmt, und dabei doch sehr viel erzählt.
(Hartmut Ernst)

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