Europa
Dänemark, Schweden, BR Deutschland, Frankreich 1990, Laufzeit: 112 Min., FSK 16
Regie: Lars von Trier
Darsteller: Jean-Marc Barr, Barbara Sukowa, Udo Kier, Ernst-Hugo Järegard, Eddie Constantine
Drowning by Numbers
juggernaut (162), 21.07.2005
...beziehungsweise countdown to death. Drei Jahre nach Luc Bessons Tiefseedrama ?Le grand bleu? zeigte dessen Hauptdarsteller Jean-Marc Barr hier erneut seine Qualitäten als Wassermann. Und sein Regisseur Lars von Trier frönte auch zum Abschluss seiner ?Europa?-Trilogie wieder seinen Lieblingsspielen und -obsessionen, also vor allem der Hypnose, dem alten, kranken Kontinent und dem lustvollen Zitieren, Brechen und Verfremden von Filmgeschichte. Das Genre, das er hier aufs Korn genommen hat, nennt man wohl Politthriller und könnte die darin erzählte Geschichte um Verbrechen und Verrat, Schuld und Sühne, Liebe und Tod im Nachkriegsdeutschland 1945/46 sogar einigermaßen stringent wiedergeben, wenn man denn wollte. Aber wer will das schon so genau wissen. Die Farbgebung und die Bildkomposition sind es, die den Unterschied machen: Größtenteils hartes, kontrastreiches Schwarz-Weiß wird immer wieder effektiv mit Farben ?aufgemischt? bzw. effektvoll ergänzt. So erstrahlt beispielsweise Barbara Sukowa in manchen Szenen in einer Art leuchtenden Blässe (wenn es das gibt), die direkt den 50er-Jahre Hollywood-Melos entlehnt zu sein scheint. Und so könnte man an dieser Stelle weiter den Bogen schlagen von Sukowa zu ihrem Entdecker Fassbinder und dessen Vorliebe für Sirk usw usf... bis man am Ende wieder beim praktizierenden Europathologen Lars von Trier und dessen seltsamer Deutschland-Obsession landet. Da hat von Trier doch höchstselbst den Liedtext zu einer ?Europa Aria? gedichtet und für den weiblichen Gesangspart die ausgebildete Opernsängerin und Punk-Walküre Nina Hagen engagiert, die uns zum Abspann noch ein donnerndes ?Eurrropa? um die Ohren schmettert. O.K., kann man als musikalischen Gag durchgehen lassen und ist natürlich Geschmackssache (Wenn es um Hymnen an den alten Kontinent geht, bevorzugt man in rheinischen Gegenden dann doch eher das Europa-Lied, mit dem die beiden unverwüstlichen Bonner Vereinsmeier Litzmann & Schwaderlappen (alias Pause & Alich) alljährlich das ?Pink Punk Pantheon? beschließen. Aber das nur am Rande.).
Er ist schon ein rechter Filou, der Herr von Trier. Aber dafür, dass er einen mit diesem 15 Jahre alten Film noch irritieren, provozieren und anregen kann (sowie streckenweise auch noch unterhält und in Spannung versetzt, kaum zu glauben!), muss man ihm angesichts eines bislang eher lauen 2005er-Filmjahrgangs schon fast dankbar sein.
Die Rache des Schlafwagenschaffners
Colonia (683), 20.04.2004
Das ist mal wieder einer dieser von-Trier-Filme, bei denen ich mich frage: Was soll das eigentlich?
Klar ist die Optik außergewöhnlich. Die vorwiegend sepiagetönten Schwarzweißbilder scheinen einer beklemmenden kafkaesken Welt entsprungen und lehnen sich an Stummfilmvorbilder an. Dann zum Beispiel, wenn im Hintergrund eine riesige Uhr eingeblendet wird, während der Protagonist sich klein im Vordergrund bewegt. Das fast völlige Aussparen von "Natur" und das Fehlen von Tageslicht macht "Europa" zu einer düsteren Eisenbahn-Reise ohne Ziel.
Aber allzu offensichtlich erscheint mit der Fortgang der Handlung und ich werde das Gefühl eines gnadenlos erhobenen Zeigefingers nicht los. Sollte das ganze Unterfangen (selbst-)ironisch gemeint gewesen sein, ist es wohl nicht angekommen. Dafür ist der Film auch einfach zu langweilig und das Drehbuch ohne jede Überraschung.
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