Der Hochzeitsschneider von Athen
Deutschland, Belgien, Griechenland 2019, Laufzeit: 101 Min., FSK 0
Regie: Sonia Liza Kentermann
Darsteller: Dimitris Imellos, Tamila Koulieva-Karantinaki, Thanasis Papageorgiou
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Lakonisch-ruhiges Charakterdrama
Die Zeiten ändern sich
„Der Hochzeitsschneider von Athen” von Sonia Liza Kenterman
Nach wie vor kommt es vergleichsweise selten vor, dass ein griechischer Film in Deutschland über die Kinoleinwände flimmert. Das Regiedebüt der griechisch-deutschen Filmemacherin Sonia Liza Kenterman, „Der Hochzeitsschneider von Athen“, stellt hier eine der seltenen Ausnahmen dar. Kenterman hat an der London Film School Regie studiert und bereits erfolgreich zwei Kurzfilme realisiert. Für „Nicoleta“ aus dem Jahr 2012 gewann sie allein mehr als ein Dutzend Preise, und auch „White Sheet“, der zwei Jahre später entstand, fand international Anerkennung. In der Tat merkt man es ihrem Langfilmdebüt nur gelegentlich an, dass hier eine noch so unerfahrene Regisseurin am Werk war – so minutiös durchkomponiert sind die Bilder, so durchdacht ist die Figurenzeichnung, die darüber hinaus über weite Strecken sogar fast komplett ohne Dialog auskommt. Ein reifes und ästhetisch überaus gelungenes Erstlingswerk, das neugierig macht auf die kommenden Arbeiten Sonia Liza Kentermans. Mit „Athens Dresden“ steht das nächste übrigens tatsächlich schon in den Startlöchern.
Nikos (Dimitris Imellos) hat in Athen die Maßschneiderei seines Vaters Thanasis (Thanasis Papageorgiou) übernommen, die dieser vor rund 60 Jahren etabliert hat. Aber die Zeiten haben sich geändert, kaum jemand ist noch bereit, für einen Anzug mehrere tausend Euro zu bezahlen. Der Laden steht vor der Liquidierung, als Nikos durch mehrere Zufälle neue Geschäftsideen entwickelt. Er konstruiert einen mobilen Verkaufsstand, mit dem er seine Waren auf dem Wochenmarkt anbieten kann, und er öffnet sich dem Schneidern von Brautkleidern, für die offensichtlich deutlich größeres Interesse in der Athener Gesellschaft besteht.
Sonia Liza Kenterman hat ihre Hauptfigur wie einen Menschen aus einer anderen Zeit in Szene gesetzt. Mit strengem Seitenscheitel und stets makellos adretter Kleidung steht dieser Nikos für einen Gentleman aus längst vergangenen Tagen. Dass er gleichwohl gezwungen ist, sein Geschäftsmodell zu überdenken, wenn er nicht dem Untergang geweiht sein möchte, treibt Kentermans Geschichte voran. Die Regisseurin hat einen unverstellt romantisierenden Blick auf die Ereignisse. Das erkennt man schon daran, mit wieviel Detailliebe sie den Prozess des Schneiderns in ihrem Film visualisiert. Die Freundschaft zwischen Nikos und der halbwüchsigen Tochter seiner Nachbarin hat ebenfalls märchenhaft-poetische Züge, hier treffen (wie zuvor bei Charlie Chaplin und Jacques Tati, die in ihren Filmen ebenfalls nicht vieler Worte bedurften) ein Kind und ein Kind gebliebener Erwachsener aufeinander, die sich folglich vorzüglich miteinander verstehen. George Michelis‘ Kameraführung ist schlichtweg grandios, er findet immer wieder außergewöhnliche und originelle Blickwinkel – häufig sind es die Schuhe und der Boden, auf die er fokussiert –, mit denen dem Film eine ästhetische Qualität verliehen wird, die sich voll und ganz nur auf der Leinwand entfalten kann.
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