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Im Takt zur Energiewende
Foto: Dino Kosjak

Symphonie in Dung

08. März 2017

Ensemble Ruhr eröffnet am 7.3. Konzertreihe „Die sieben letzten Worte an sieben Orten“ – Klassik an der Ruhr 03/17

Ruhige, getragene Melodien erklingen in der Scheune. Zwölf Musiker werfen während des Spiels einander flüchtige Blicke zu und erlauben sich manches Lächeln, wenn eine besonders knifflige Passage gelungen ist. Von oben herab schallt das aufgeregte Zwitschern der Spatzen, die sich im Scheunendach verbergen. Die Atmosphäre ändert sich, als die Musiker zu einer anderen Komposition wechseln. Geigen, Celli und Kontrabass stimmen nun überein zu schnellen Läufen, abrupten Unterbrechungen und spannungsreichen Wechseln zwischen Laut und Leise.

Das im Jahr 2012 gegründete Kammerorchester Ensemble Ruhr besucht in diesen Tagen Orte, die mit der Energiewende verbunden sind. Anlass ist die Ernennung der Stadt Essen zur Grünen Hauptstadt Europas 2017. Den Anfang macht der Hof von Einhard im Brahm in Essen-Kettwig. Der Landwirt hat im Jahr 2005 eine Biogasanlage in Betrieb genommen, kurz bevor das Verbot in Kraft trat, Speisereste an Schweine zu verfüttern; Restaurants und andere Großbetriebe müssen Küchenabfälle seitdem auf andere Weise entsorgen.

In der Biogasanlage werden sie zusammen mit Gülle und Mist aus der Schweinehaltung aufbereitet. Der Zersetzungsprozess erzeugt Energie in Form von Strom und Wärme – genug für den Eigenbedarf und die Einspeisung ins öffentliche Netz. „Um es ganz kurz zu sagen“, lacht im Brahm, „wir versuchen es mit etwas Erneuerbarem. Und das machen wir im Kreislauf“.

Vor der Kulisse der Biogasanlage kann das Konzert allerdings nicht stattfinden, der Kälte und Nässe wegen. In der Scheune bieten Traktoren und anderes landwirtschaftliches Gerät ebenfalls eine stimmungsvolle Kulisse. Das Ensemble Ruhr hat für die Aufführungen Joseph Haydns Komposition „Die sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuze“ ausgesucht, eine Auseinandersetzung mit den letzten Worten, die Jesus der Überlieferung zufolge auf seinem Leidensweg sprach.

Eine Komposition, die besser für das Projekt geeignet wäre, könne sie sich kaum vorstellen, betont Anna Betzl-Reitmeier, Cellistin und eine der Projektleiterinnen. Die Musik stehe für Glaube, Liebe, Hoffnung und Abschied und beschreibe, wie verletzlich unsere Beziehungen seien, erläutert sie. „Diesen Zwiespalt finden wir auch hier“, fährt sie fort, „denn zur Biogasanlage gehört die Schweinemast. Wir können nicht ausschließen, dass für eine gute Sache Tiere leiden".

Mit derselben Komposition bereiste das Ensemble bereits im Jahr 2015 Orte, die für den Strukturwandel stehen, darunter verfallene Orte als Symbole des Vergänglichen. Die Orte der Energiewende dagegen motivierten durchweg, den Blick nach vorne zu lenken, sagt Betzl-Reitmeier. „Es geht um Aufbruch und darum, einen Ort in neuer Weise zu erfahren.“

Dabei helfe die Nähe zum Publikum, fügt sie hinzu – das Ensemble Ruhr verzichtet sowohl auf einen Dirigenten als auch auf eine erhöhte Bühne. Die Konzerte werden begleitet durch den Fotografen Jan Pauls und den Journalisten Christian Kosfeld. Ihre Dokumentation wird Teil der Abschlusskonzerte zum kommenden Wochenende sein.

Die kommenden Termine:

Kurzkonzerte: 8.3.: 10 Uhr Wasserkraftwerk am Baldeneysee; 14 Uhr Altes Pumpwerk am Ruhrwehr Duisburg; 18 Uhr Trautmann Arboretum in Essen.
Schlusskonzerte in 17-köpfiger Besetzung:
10.3.: 19.30 Uhr Kolping-Berufsbildungswerk Essen; 11.3.: 19.30 Uhr Forum inklusive Kultur, Ev. Kirche, Billebrinkhöhe in Essen, 12.3.: 17 Uhr Maschinenhaus Essen Zeche Carl
Infos unter: www.ensembleruhr.de

Dino Kosjak

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