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Abschied von der Perfektion im Haushalt
Foto: Joseph Helfenberger / fotolia

Ein Quäntchen Mary Poppins

25. Februar 2016

Die Absurdität des Mutterseins – Thema 03/16 Frauenleben

Das Leben als Frau birgt schon so manche Herausforderungen: Wir erwarten, dass sie gut aussieht und aufgrund des guten Aussehens natürlich sehr selbstbewusst ist. Zu selbstbewusst sollte sie dann allerdings auch nicht sein, sonst könnten potentielle Dating- und Eventuellehepartner, die selbstverständlich zu einem Frauenleben dazugehören, abschgeschreckt werden. Sie muss einen tollen Job haben, der ihr Freude bringt, in dem sie glücklich und zufrieden vollkommen aufgeht. Neben dem Job verbringt sie viel Zeit im Fitnessstudio, hat ein interessantes Hobby, kocht dauernd für Freunde, wohnt selbstverständlich in einer immer sauberen Wohnung und kleidet sich untadelig feminin.

Diese Liste lässt sich bis zur Absurdität weiterführen. Man mag jetzt denken, das sei alles sehr oberflächlich betrachtet, aber insgeheim hat jede Frau schon einmal diesen Druck verspürt. Aber es kommt buchstäblich noch dicker: Hat Frau nämlich den Richtigen gefunden, muss sie Kinder wollen und auch bekommen. Und das bitte pronto. Und dann geht es erst richtig los. Denn die Erwartungen an Frauen als Mütter sind ungleich höher.

Und in eben diese Mutterfalle bin ich selbst getappt. Noch während der Schwangerschaft habe ich mir mein Leben als Mutter detailliert ausgemalt: Absolute Perfektion. Ich wäre die Ruhe selbst, immer hübsch und lächelnd, mit einem Kind das selbstverständlich ausschließlich lieb und süß ist. Ich würde nur gesunde Bioprodukte kochen, nur pädagogisch wertvolles Spielzeug anschaffen und mindestens einen vierstündigen Spaziergang am Tag mit Freude absolvieren. Mein Kind wäre immer adrett, immer sauber und immer glücklich. Zu jeder Gelegenheit würde ich mit aufwändig selbstgebackenen Kuchen aufwarten, Kindergeburtstage zu einem überragenden Event machen. Und all das garniert mit einem Quäntchen Mary Poppins.

So weit, so gut. Die Realität holte mich dann in Form meines kleinen Sohnes ein. Als ich des Nächtens schlaftrunken mit einem vor Bauchschmerzen schreienden Säugling in meiner chaotischen Küche saß, vermutete ich das erste Mal, dass ich mich wohl etwas verschätzt hatte. Als ich dann während des Babyturnens, statt glücklich Lieder singend und Kind schwenkend im Kreis zu tanzen, ein unfreiwilliges Nickerchen neben meinem Sohn im Bällebecken hielt, war es Gewissheit die mir zuflüsterte: Du hast Dich da etwas vertan.

Auch mit Ruhe und Ausgeglichenheit war es nicht so weit her, spätestens als ich mit einem tobenden Kind an der Kasse im Supermarkt den nicht erbetenen Rat einer älteren Dame „So einem ungezogenen Kind sollte man mal ordentlich den Hintern versohlen“ erhielt, zählte ich nicht mehr innerlich langsam bis 21, sondern malte mir verschiedene mittelalterlichen Foltermethoden für die Dame aus.

Wenn das Kind dann alt genug ist, um „Nein“ zu sagen, ist es mit der Perfektion vollends vorbei. Liebevoll gekochtes Gemüse und Desserts, die nicht zu 99% aus Schokolade bestehen, werden mit eben diesem kurzen Wort abgehakt. Während ich abends sowohl für meinen Sohn als auch für mich ein adrettes Outfit zurechtlege, wird dieses am nächsten Morgen ebenfalls mit Nein abgelehnt. Weil ich nach einer einstündigen Hetzjagd mit einem Kind, das nicht angezogen werden will, keine pädagogisch wertvolle Diskussion mehr moderieren kann, geht mein Sohn schon mal als Ritter in den Kindergarten.

Es ist also in den meisten Fällen in einem Mutterdasein keine Perfektion zu finden und in meinen Augen sollte frau das übersteigerte Mutterbild gar nicht erst betrachten. Man kann ihm einfach nicht gerecht werden. Perfektion liegt hier in anderen Dingen: Wenn sich abends ein noch etwas schmutziger, vielleicht schokoladenklebriger kleiner Ritter über die tanzenden Pinguine in Mary Poppins freut und leise sagt: „Ich hab Dich lieb Mami.“


Aktiv im Thema

retteeinekleinewuestenblume.de | Desert Flower Foundation von Menschenrechtsaktivistin Waris Dirie
www.krankenhaus-waldfriede.de | Das Desert Flower Center bietet Frauen, die nach einer Genitalverstümmelung leiden, ganzheitliche medizinische Versorgung an
www.stop-mutilation.org | Gegen die Beschneidung von Mädchen in Europa und Afrika
www.frauenrechte.de | Terre de femmes

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zum Thema auch unter: choices.de/thema und engels-kultur.de/thema

Thema im April: WASSERSCHADEN – Von der Amöbe bis zum Quantenphysiker – Wasser ist Lebensgrundlage. Das Element als künftiger Kriegsgrund, philosophisch betrachtet und wie wir es schützen und nachhaltiger verwenden können.

NINA RYSCHAWY

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