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Schulalltag im Land der Inkas: Klasse in Cusco
Foto: Jana Henninger

Ein grüner Fleck am grauen Stadtrand

19. März 2013

Zu Besuch an einer Schule in den peruanischen Anden – Ungeschminkt 03/13

„Je höher du in die Anden steigst und je weiter du von der Stadt gehst, desto ärmer leben die Menschen dort.“ Mit diesem Sprichwort im Kopf steige ich in den überfüllten Bus, der die deutsche TÜV-Prüfung sicher nicht überlebt hätte. Doch er passt perfekt in die staubigen Straßen, die mich nun immer weiter vom Zentrum weg führen.
Ich befinde mich in Cusco. Mitten in den Anden liegt die ehemalige Inka-Hochburg und eine der größten Touristenstädte Perus. Ein Land im Umbruch, aber immer noch können ein Drittel der unter 15-Jährigen nicht lesen und schreiben. Trotz allgemeiner Schulpflicht gehen ein Viertel der Kinder nicht zur Schule. Diese Fakten kennt auch David Quispe Itusaca, gebürtiger Peruaner und Vater zweier Kinder. Doch Wegsehen konnte er nicht. So gründete er 2006 das Projekt „Vida Nueva Asvin“. Ich selbst bin in die Anden-Stadt Cusco gereist, um das Projekt kennen zu lernen.

Als ich im Zentrum der Stadt ankomme, sind die Straßen voller Menschen. Sowohl Touristen als auch Peruaner schlendern durch die Gassen und machen aus Cusco ein internationales Kulturzentrum. Mitten drin liegt der „Plaza de Armas“ – ein großer Platz im Herzen Cuscos. Zwischen kolonialer Kathedrale und alten Inka-Mauern fühle ich mich wie in einem offenen Musem. Der Tourismus boomt. Doch fast an jeder Straßenecke sehe ich Frauen sitzen, die Wolle, Gemüse, Schmuck und Sombreros verkaufen. Meine Projektleiterin erklärt mir, dass es sich um Frauen vom Land handelt, die versuchen den Tourismus für sich zu nutzen. Ihr Anblick lässt mich erahnen, dass es nicht allen Bewohnern Cuscos so gut geht wie hier im Zentrum.

Ich fahre mit dem Bus aus der Stadt heraus und mit jeder Haltestelle bröckelte mehr Putz von den Häusern und der Staub ließ die Luft trüb werden. Der Glanz des Touristenzentrums mit seinen historischen Bauten, niedlichen Gassen und großen asphaltierten Verkehrsstraßen verfliegt und die Stadt zeigt ihr zweites Gesicht. Nach einer dreiviertel Stunde Fahrt im Blechkasten auf vier Rädern stehe ich auf einer kleinen Straße, die einen Hügel hochführt. Oben angekommen lasse ich den Blick über die umliegenden Behausungen schweifen, die für mich nicht mehr als Hütten sind. Am Ende der Straße angekommen, stehe ich vor einem Tor. Dahinter liegt ein großer Hof, auf dem Kinder mit einem alten Fußball spielen. Ein kleiner Mann in sportlicher Kleidung öffnet mir das Tor. Es ist David Quispe Itusaca. Er zeigt mir das ganze Grundstück. Schon nach kurzer Zeit habe ich an jeder Hand ein Kind mit rundem Gesicht und großen braunen Augen, die mich lächelnd beobachten. Auch wenn die Zähne nicht ganz weiß sind, ist es ein unglaublich strahlendes Lächeln. Auf meiner Führung entdecke ich zwei Häuser mit Klassenräumen und ein drittes, in dem gekocht und gegessen wird. Die Kinder haben Platz zum lernen und spielen. Doch das war nicht immer so. Wenig später sitze ich in Davids Büro und er beginnt, mir seine Geschichte zu erzählen.

Er selbst wächst als Kind vom Feld auf. Seine beiden Eltern haben nicht viel Geld. Er erklärt: „Wir haben gespart und so konnte ich trotz der schlechten Situation die Schule besuchen. Meine Eltern hatten Glück, denn ihnen gehörten ein paar Grundstücke. Das ist hier draußen viel wert.“ Später studiert er und arbeitet einige Zeit als Lehrer. Doch er hat einen Traum. „Viele meiner Freunde konnten nicht zur Schule gehen. Hier auf dem Land gibt es wenige Kinder, die eine Perspektive haben. Das wollte ich ändern.“ Er schmiedet Pläne und animiert seine Freunde ihn zu unterstützen. „Ich wollte eine Schule für die Kinder vom Land bauen. Ihnen Bildung schenken. Anfangs waren wir dreißig Leute. Doch dann kamen die Fragen nach dem Geld und ich sagte, dass wir dafür kämpfen müssten. Da gaben sie auf und sagten, ich sei ein Träumer.“ Davids Gesicht wird bei dieser Erinnerung traurig. Es gab kaum jemanden, der noch an ihn glaubte. Nur seine Frau Hide unterstützte ihn weiter. Drei Jahre spart das Ehepaar jeden Sol (peruanische Währung). „Schließlich hatten wir genug Geld zusammen, um mit dem Bauen anzufangen. Ich habe meinen Traum nicht aufgegeben“, erzählt er stolz. Ich merke schnell, wie viel ihm an seinem Projekt liegt und wie viel er für die Verwirklichung geleistet hat.

Der Projektplan erregt Aufmerksamkeit und so bekommt er Unterstützung von ausländischen Organisationen. Von den Peruanern, sagt er, habe er kein Geld gesehen. Mit den Spenden der Organisationen können nach und nach die Klassenräume gebaut werden. „Anfangs mussten die Kinder auf Steinen und Holzblöcken schreiben. Erst später hatten wir Tische und Stühle“, erklärt David und zeigt mir Fotos von den Bauarbeiten und den ersten Unterrichtsstunden. Ich frage nach den Lehrkräften und er antwortet: „Ich konnte anfangs keine Lehrer bezahlen, also habe ich Universitätsabgängern eine Stelle für ihren praktischen Dienst angeboten. Viele Eltern wollten ihre Kinder in die Schule schicken, da sie sich die staatliche Schule nicht leisten können.“ Ich will wissen, wie entschieden wird, welche Kinder in Asvin lernen dürfen. Darauf antwortet er: „Wir haben genaue Auswahlkriterien. Wir untersuchen erst die Situation der Familie, bevor wir ihre Kinder aufnehmen.“ Später schicken die Organisationen Freiwilligenarbeiter und mit ihnen weitere Spenden. „Mit dem Geld konnten wir den Schulhof asphaltieren, Toiletten bauen und die Mauern der Häuser streichen.“ Heute besuchen schon etwa achtzig Kinder das Projekt Asvin und können hier lernen, was ihnen sonst nicht möglich wäre.

Anschließend besuche ich die Kinder in ihren Klassenräumen. Ich bin beeindruckt, wie schön die Klassenräume sind und viel Spaß den Kindern das Lernen macht. Doch schnell sehe ich, dass es oft an Papier, Farben oder Heften fehlt. Für eine Küchenhilfe fehlt ebenfalls das Geld. Die Lehrerin María erklärt: „Ich muss die Kinder öfter alleine lassen, um beim Kochen zu helfen.“ Das Frühstück und auch das Mittagessen gibt es nun schon seit einigen Jahren. „Am Anfang haben wir uns gewundert, warum die Kinder morgens immer so müde waren. Dann haben wir herausgefunden, dass sie Zuhause kein Frühstück bekommen haben.“

David hat deswegen noch weitere Pläne. „Ich will das Ganze größer aufziehen und mehr Kinder unterrichten. Ich hoffe, dass noch mehr freiwillige Helfer kommen, denn durch sie konnten wir schon so viel ermöglichen“, sagt er und meint abschließend. „Anfangs habe ich oft selbst an meinem Plan gezweifelt, aber nun sehe ich, was man erreichen kann, wenn man nur daran glaubt.“

Für mich ist das Projekt Asvin ein grüner Fleck der Hoffnung im staubigen Stadtrand von Cusco und ich werde sicher einmal wiederkommen, um das Projekt erneut zu unterstützen.

Jana Henninger

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