Wenn im Keller des Consol Theaters ein Saxonphon seinen berstenden Klang in den Raum schlägt oder ein wildes Drum-Solo bis draußen zu hören ist, dann wird „Gejazzt“ in Gelsenkirchen. Am Donnerstagabend war das deutsch-österreichisch-schweizerische Trio von „Kahiba“ zu Gast.
Bislang ist die Formation um den Saxophonisten Heinrich von Kalnein im Ruhrgebiet nicht zu sehen gewesen. Nach dem Abend dürfte sich dies ändern. Denn das Set der drei Musiker glich eher einem nimmerleeren Zauberkasten, denn einem routinierten Konzertablauf. Das Publikum quittierte dies mit stehenden Ovationen.
Überraschungsmomente
Schon beim ersten Stück, Ornette Colemans „Homogenious Emotions“, reiht sich zwischen Saxophon und Drums ein hölzern klingendes Geräusch ein, das zunächst irritiert, dann geloopt wird und schließlich rhythmusgebend ist. Solche Überraschungsmomente in einem ohnehin relativ formlosen Free-Jazz-Stück sind Ausdruck einer sich bis ins Detail ausbreitenden Soundpalette Kahibas.
Deutlich wird dies auch am Spiel von Heinrich von Kalneins Kollegen Gregor Hilbe und Christian Bakanic. Der Schweizer Hilbe war jahrelang in der europäischen Elektro-Szene beheimatet. Selten ist sein Perkussions-Spiel frei von Nebengeräuschen, ständig drängt sich aus dem Laptop neben ihm eine Geräuschkulisse ins Drumset. Es wurschtelt, quietscht und manchmal dienen hierzu auch Gesprächsfetzen, wie im Stück „Fellini“, das Nino Rota dem Filmkomponisten des bekannten Regisseurs gewidmet ist.
Digitale Folklore
Christian Bakanic ist der Jüngste im Trio. Neben dem Spiel am Piano und Keyboard sind seine Passagen am Akkordeon prägend für Kahiba, denn auch folklore Stile wie der Tango Nuevo oder der Zydeco werden in die digitalen und elektronischen Klangschichten integriert. Live entsteht so ein unheimlicher Drive, wenn Bakanics Akkordeon aus den Tanzrhythmen bricht, um sich mit von Kalneins Saxophon zu einer lauten Geräuschwand aufzublähen.
Von Kalnein, der auch Ausflüge in den Pop-Bereich machte, ist ein nimmermüder Neuerfinder des Jazz. Mit Kahiba beweist er auch, wie dehnbar der Jazz im 21. Jahrhundert geworden ist. Explosiv, Sphärisch oder groovend – live ist Kahiba jedenfalls ein krachendes Erlebnis.
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