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Daniel Buren in Paris. Ein durchaus radikaler Künstler, der das Bild an sich in Frage gestellt hat
Foto: Ferdinand Ullrich

„Das Material ist nicht für die Ewigkeit gedacht“

26. März 2015

Der Recklinghäuser Museumschef zur Ruhrfestspiel-Installation von Daniel Buren – Sammlung 04/15

trailer: Herr Ullrich, war die Auswahl von Daniel Buren bei einem Blick der Ruhrfestspiele auf Frankreich zwangsläufig?
Prof. Dr. Ferdinand Ullrich:
Ich will nicht unbedingt sagen, dass die Auswahl von Buren zwangsläufig war, aber es lag auch nahe. Für mich ist es eine Gelegenheit gewesen, einen Künstler, den ich in seiner Radikalität sehr schätze, dafür anzusprechen. Und habe ihn kennengelernt als einen ausgesprochen sympathischen, unprätentiösen Künstler.

Deshalb harmonisiert Buren jetzt das Festspielhaus?

Prof. Dr. Ferdinand Ullrich
Foto: Kunsthalle Recklinghausen
Prof. Dr. Ferdinand Ullrich

1972-78 Studium der Bildenden Kunst an der Kunstakademie Münster. Meisterschüler bei Timm Ulrichs. 1978-81 Studium Kunstgeschichte, Philosophie und Pädagogik an der RUB Bochum. Promotion über die Künstlergruppe „junger westen“. Seit 1988 Direktor der Museen der Stadt Recklinghausen, seit 2002 Honorarprofessor für Kunst und Öffentlichkeit an der Kunstakademie Münster.


Harmonisiert – ich würde sagen, er verändert es. Harmonisiert ist eine ästhetische Kategorie. Insofern habe ich da auch nichts gegen. Da ist ein Künstler, der eine Architektur verändert und so die Möglichkeit gibt, sie unter anderen Blickwinkeln zu sehen, sie gleichsam auflöst, und das ist ein sehr interessanter Aspekt.

Das wird also ein adhäsives Folien-Tête-à-Tête mit dem Besucher?
So kann man das ausdrücken. Mir ist wichtig an der Stelle, dass das Ganze ein immaterielles Werk ist. Denn es geht nicht um die Folie, sondern es geht um das Licht. Das Licht, das in das Festspielhaus hineinfällt oder aus der Kunsthalle heraustritt – eine Lichterscheinung in der Nacht – und einfach da ist. Das hat eine räumliche, aber auch emotionale Wirkung, und darum geht es uns eigentlich. Das Innen-Außen spielt am Festspielhaus eine sehr große Rolle.

Ist dieses Konzept der Verfremdung wichtiger als eine immanente Form der Dekoration?
Der Begriff der Dekoration kommt vielleicht schnell auf. Aber man muss eben die ganze Entwicklung von Daniel Buren sehen. Er war ja Ende der 1970er, Anfang der 80er Jahre, aus der 68er-Bewegung kommend, ein durchaus radikaler Künstler, der das Bild an sich in Frage gestellt hat. Durch die von ihm benutzten Streifen. Das Bild war ohne Botschaft. Das war ein ganz wichtiger Aspekt. Und er hat über Jahrzehnte geschafft, diese Grundidee immer weiter zu treiben. Bis man so weit war, das auch als schön zu empfinden. Also als Dekor in einem positiven Sinne. Aber es ist auch immer ein Eingriff – ob er in Weimar die Wände aufschlitzt oder am belgischen Strand diese Windfaden setzt. Da setzt er sich mit dem Wind und dem Licht und den Elementen auseinander, macht sie sozusagen erst sichtbar, und das ist eine wunderschöne Erscheinung, aber es ist eben auch mehr als nur wunderschön.

Klar. Und das Prinzip für die Farbwahl des Rasterbilds, ist das Zufall – wie bei Richters Domfenster in Köln?
Nein. Die Auswahl der Farben, die Strukturierung und Aufteilung der Farben geschieht nach einem System. Es ist kein Zufall. Es sind ja auch nur sehr wenige Farben, fünf, wenn man das Weiß mit hinzuzählt. Und sie werden nach einer bestimmten Reihenfolge sortiert: nämlich nach dem Alphabet. Also blau kommt vor grün, und weiß steht am Ende. Buren fängt also links unten in der Ecke an und geht dann in die Schräge, über die ganze Front. Das ist auf den ersten Blick ein etwas einfaches System, aber auch interessant, denn in jedem Land sieht es anders aus. Diese Treppenfolge ist nicht kryptisch, wie bei Richters Zufalls-System. Und es gibt eine leichte Störung, das sind die weißen Felder, die eben gestreift sind, und da tauchen dann sozusagen als Eigenzitat seine Streifen wieder auf.

Also kein Konzept von Farbenlehre?
Nein. Es ist keine Farbenlehre. Außer die dümmste aller Farbenehren, wenn man so will, nämlich die des Alphabets. (lacht)

Warum gibt es keine Ausstellung in der Kunsthalle Recklinghausen?
Also die Kunsthalle ist belegt. Sie wird ab dem 13. Mai an einer großen China-Ausstellung beteiligt sein und chinesische Malerei zeigen. Das war sehr lange vorgeplant, aber es hat den dringlichen Wunsch gegeben, auch eine Ruhrfestspiele-Ausstellung zu veranstalten. Und dann haben wir aus der Not, die wir hatten, eine Tugend gemacht. Also dann versuchen wir doch im öffentlichen Raum etwas zu machen und gleichzeitig die Gebäude, die Architekturen, die bei den Ruhrfestspielen eine Rolle spielen, das Festspielhaus auf der einen Seite und die Kunsthalle auf der anderen, mit ins Spiel zu bringen und dort von innen auch nach außen zu strahlen.

Also eine Installation an den Fenstern?
Ja. An den beiden Fassaden des Festspielhauses und der Kunsthalle.

Wenn die Kunst von Buren so ein Mehrwert ist für die Festspielhalle, warum bleibt so was nicht dauerhaft?
Unser Wunsch wäre es durchaus, so etwas dauerhaft zu installieren. Dann müsste man aber über einen Ankauf des Werkes diskutieren. Und das kostet natürlich viel Geld. Zunächst ist es temporär gedacht und auch so angelegt. Das hat auch mit den Materialien zu tun – die sind nicht für ewig gedacht. Ansonsten müsste man die Gläser selber farbig einpassen und das wäre eher etwas, wenn man neu bauen würde. Die Folien halten schon eine Weile, aber eben nicht ewig. Sie werden dann hinterher wieder abgenommen. Das kalkulieren wir mit ein, und es muss dann auch relativ flott gehen, denn die dürfen nicht zu fest kleben.

Lesen Sie auch unser Interview mit Ruhrfestspiele-Intendant Dr. Frank Hoffmann.

Ruhrfestspiele | 1.5.-14.6. | Recklinghausen, Marl und Herten | www.ruhrfestspiele.de

INTERVIEW: PETER ORTMANN

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