Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
15 16 17 18 19 20 21
22 23 24 25 26 27 28

12.557 Beiträge zu
3.787 Filmen im Forum

Hamsun vor Hunger im Delirium
Foto: Martin Ernstsen; avant-verlag

Schön schlimm

18. Dezember 2019

Drama und Schrecken in Farbe – ComicKultur 12/19

In „Das Licht, das Schatten leert“ lässt uns Tina Brenneisen schmerzvoll nah an sich ran: Sie erzählt von der Totgeburt ihres Sohnes Lasse und wie sie darauf zusammen mit ihrem Mann in ein tiefes Loch fällt, aus dem es kaum ein Entrinnen gibt. Sie findet tolle Bilder für ihre Gefühle, erzählt mit scheinbar zittriger Hand von bedrohlichen Seelenzuständen, die sich in zerknitterten Gesichtern abbilden. Tief berührend (Edition Moderne). Nach den Anschlägen auf die Redaktion der Satire-Zeitschrift Charlie Hebdo, bei dem zwölf Menschen starben, waren alle Charlie. Wer Charlie wirklich war, dass erzählt Luz, einer der überlebenden Mitarbeiter, in seinem über 300 Seiten umfassenden Rückblick auf fast 25 Jahre Arbeit in der Redaktion. Nach „Katharsis“ ist „Wir waren Charlie“ Luz‘ zweites autobiografisches Werk. Seinen Humor lässt er, der bis heute unter Polizeischutz steht, sich nicht nehmen (Reprodukt).

Martin Ernstsenadaptiert mit „Hunger“ Knut Hamsuns Roman aus dem Jahr 1890, in dem sich Hamsun mit einem bilderreichen Stream-of-Consciousness vom Realismus jener Zeit löst und seine Schwere, von Armut geprägte Zeit in Oslo anschaulich beschreibt. Ernstsen findet großartige, fibrige Bilder für das Debüt des später offen nationalsozialistischen Autors, der mit seinem Frühwerk noch alle linken, deutschen Intellektuellen begeistern konnte (avant-verlag).

Renée Naulthatte sich schon vor der erfolgreichen Serie an eine Comic-Adaption von Margaret Atwoods Dystopie „Der Report der Magd“ gemacht und sie auch nach ihrem Start gemieden. So entgeht ihre Version der Gefahr, ein Abklatsch der Serie zu sein. Auffällig sind die betont strahlenden Farben ihrer Aquarellzeichnungen, die im Kontrast zu dem faschistischen Szenario stehen, in dem die Protagonistin lebt. Grotesk und erschütternd und zuweilen dann auch visuell sehr düster (Berlin Verlag). Marco Wiersch und Bernd Kissel erzählen in „Freistaat Flaschenhals“ in einer Mischung aus Schildbürgerstreich und akkurater Geschichtsschreibung von der ab 1919 vier Jahre andauernden Existenz eines Freistaats zwischen Mainz und Koblenz, weil bei der Verteilung des Landes an die Alliierten eine Lücke entstand. Eine historische Randnotiz, die im Comic eine Würdigungerfährt (Carlsen).

Christian Meyer-Pröpstl

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Civil War

Lesen Sie dazu auch:

Female (Comic-)Future
Comics mit widerspenstigen Frauenfiguren – ComicKultur 04/24

Spurensuche
Comics zwischen Wirklichkeit, Fantasie und Spektakel – ComicKultur 03/24

Gertrude, Celeste und all die anderen
Progressive Frauen in Comics – ComicKultur 02/24

Held:innen ohne Superkraft
Comics gegen Diktatur und Ungerechtigkeit – ComicKultur 01/24

Ernste Töne
Neue Comics von Sfar, Yelin und Paillard – ComicKultur 12/23

Ausstellung in Buchformat
Wenn jedes einzelne Panel im Comic einem Kunstwerk gleicht – ComicKultur 11/23

Comic und Film Hand in Hand
Von, für und über Erwachsene – ComicKultur 10/23

Klaustrophobische Comics
Eingerahmter Existentialismus zwischen Leben und Tod – ComicKultur 09/23

Großalarm für Otakus
Manga Day 23 – Literatur 09/23

Zwiespältige Helden
Geschichten aus anderen Zeiten – ComicKultur 08/23

Große Werke bei kleinen Verlagen
Comics sind nach wie vor ein Risikogeschäft – ComicKultur 07/23

Rotes Blut, roter Staub
Graphic Novels mit cineastischen Bezügen – ComicKultur 06/23

Literatur.

Hier erscheint die Aufforderung!