In den frühen 1980er Jahren hatte der Verlag Carlsen Jacques Tardis „Adele“-Abenteuer auf Deutsch verlegt. Dann hatte sich der Schweizer Verlag Edition Moderne dem Werk des einflussreichen französischen Comic-Meisters angenommen, der zwischen historischen Stoffen zu den Weltkriegen oder der Pariser Kommune, Krimi-Adaptionen und seiner „Fin de Siècle“-Geschichte „Adele“ wechselte. Nun wollte Carlsen für sein jüngstes Werk über bzw. mit der Sängerin und militanten Aktivistin Dominique Grange – „Elise und die neuen Partisanen“ wieder übernehmen. Doch das Nachwort von Grange, seit den frühen 1980er Jahren Tardis Lebensgefährtin, stieß den Hamburger Verlegern mit einer Äußerung über Israel unangenehm auf. Nun hat der All Verlag übernommen. Zeichnerisch ist es ein echter Tardi und auch die Mischung aus Action, Humor und kritischer Zeitgeschichte kennt man so von ihm. So erhält man einen detaillierten, aber natürlich durch die beteiligte Autorin Grange, die hier Elise heißt, sehr subjektiven und kaum revidierten Einblick in die zunehmende Politisierung um 1968 und die folgende Radikalisierung der Linken, inklusive Antizionismus.
Ebenso widerständig wie Elise/Dominique ist „Mafalda“. Das quirlige und neugierige Mädchen aus der Feder von Joaquin Salvador Lavado alias Quino wird 60 Jahre alt. Dies feiert Carlsen in „60 Jahre Mafalda“ mit ca. 500 der knapp 2000 Strips, die zwischen 1964 und 1973 veröffentlicht und in bis zu 26 Sprachen übersetzt wurden. In der Serie, die deutlich von den Peanuts beeinflusst ist und sich klar für Gleichberechtigung und Gerechtigkeit positioniert, philosophiert die kleine Mafalda über das Leben und bringt so immer wieder die scheinbar geordnete Welt der Erwachsenen durcheinander.
Nein, „Hohle Parole“ ist keine Replik auf Tardi und Grange. Vielmehr ist das so betitelte Debüt der schwedischen Zeichnerin Cecilia Vårhed ein Generationsporträt aus der Gegenwart: Eine Handvoll Neurotiker:innen leben den Alltag zwischen Selbstzweifeln oder Selbstüberschätzung, Einsamkeit oder Sozialphobie, Prüderie und Kinkiness. Das ist stellenweise so traurig, wie man es sich zunächst vorstellt. Meist aber auch quietschbunt und fantasievoll, lustig und absurd. Tatsächlich wird das Szenario immer absurder, aber auch wahrhaftiger (Edition Moderne).
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen?
Als unabhängiges und kostenloses Medium ohne paywall brauchen wir die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser. Wenn Sie unseren verantwortlichen Journalismus finanziell (einmalig oder monatlich) unterstützen möchten, klicken Sie bitte hier.
Zeichnen in Kriegszeiten
„Ukraine Comics“ in Dortmund
Erinnerungskultur
Gegen Vergessen und für Empathie – ComicKultur 04/25
Die Geschichte der Frau
Ein Schwung neuer feministischer Comics – ComicKultur 03/25
Aufwändige Abschlüsse
Comics, die spannend Geschichten zu Ende bringen – ComicKultur 02/25
Massenhaft Meisterschaft
Neue Comics von alten Hasen – ComicKultur 01/25
Kampf den weißen Blättern
Zwischen (Auto-)Biografie und Zeitgeschichte – ComicKultur 12/24
Comics über Comics
Originelle neue Graphic Novels – ComicKultur 11/24
Gelb mit schwarzem Humor
„Simpsons“-Jubiläumschau in Dortmund – Ruhrkunst 10/24
Ein Quäntchen Zuversicht
Düstere, bedrohliche Welten mit kleinem Hoffnungsschimmer – ComicKultur 09/24
Kunst leben, Kunst töten
(Auto-)Biografische Comics bleiben ein großer Trend – ComicKultur 08/24
Repetitive Einsamkeit
Comics aus der (inneren) Isolation – ComicKultur 07/24
Allzu menschlicher Sternenkrieg
Annäherungen an Philosoph:innen und Filmemacher:innen – ComicKultur 06/24
Alternative Realität in Tokyo
„Tokyo Sympathy Tower“ von Rie Qudan – Literatur 07/25
Zart und kraftvoll zugleich
„Perlen“ von Siân Hughes – Textwelten 07/25
Flucht ins Metaverse
„Glühfarbe“ von Thea Mantwill – Literatur 06/25
Ein Hund als Erzähler
„Zorro – Anas allerbester Freund“ von Els Pelgrom und Sanne te Loo – Vorlesung 06/25
Im Reich der unsichtbaren Freunde
„Solche Freunde“ von Dieter Böge – Vorlesung 06/25
Bis zur Neige
„Der Durst“ von Thomas Dahl – Literatur 06/25
Ein Leben, das um Bücher kreist
„Roberto und Ich“ von Anna Katharina Fröhlich – Textwelten 06/25
Hartmut und Franz
Oliver Uschmann und sein Roman über das Verschwinden von Kafka – Literaturporträt 06/25
Die Spielarten der Lüge
„Die ganze Wahrheit über das Lügen“ von Johannes Vogt & Felicitas Horstschäfer – Vorlesung 05/25
Im Fleischwolf des Kapitalismus
„Tiny House“ von Mario Wurmitzer – Literatur 05/25
Starkregen im Dorf der Tiere
„Der Tag, an dem der Sturm alles wegfegte“ von Sophie Moronval – Vorlesung 05/25
„Charaktere mit echten Biografien“
Oliver Uschmann über seinen Roman „Ausgefranzt“ – Literatur 05/25
Ein Meister des Taktgefühls
Martin Mosebachs Roman „Die Richtige“ – Textwelten 05/25