„Wir wissen, wie wir möglichst energieeffizient bauen könnten. Das Problem ist, wir müssen endlich beginnen“, stellt Thorsten Burgmer fest, Professor für das Lehrgebiet Entwerfen und energetische Konzepte an der TH Köln. Begrenzte Ressourcen, Bauabfälle und Herstellungsenergie sind Treiber für eine schlechte Klimabilanz. Doch an der konsequenten Umsetzung nachhaltiger Baupläne scheitert es bislang.
Der Gedanke des energieeffizienten Bauens ist für Burgmer kein Trend, sondern ein steter Wegbegleiter. 2016 wurde er als Professor an die TH berufen, seit fünf Jahren leitet er mit einem Partner ein Architekturbüro. Die Verbindung aus Praxis und Theorie ist für ihn ausschlaggebend: „Wie könnte ich den Leuten darüber erzählen, ohne je gebaut zu haben?“
Endlichkeit von Ressourcen begreifen
Laut Umweltbundesamt sind in Deutschland ca. 93 Prozent der CO2-Emissionen energiebedingt. Gebäude sind zu etwa einem Drittel daran beteiligt. Das Konzept dahinter: „Wir benötigen Energie, um Gebäude behaglich zu konditionieren“, beschreibt Burgmer. Er begibt sich auf einen kurzen Exkurs zur Baugeschichte und stellt fest: „Mit Einzug der Industrialisierung, ist scheinbar auch das Verständnis für begrenzte Ressourcen in der Gesellschaft geschwunden.“
Der illegale Sandabbau spielt dabei eine ausschlaggebende Rolle. Sand ist ein endlicher Rohstoff, dessen Verfügbarkeit drastisch sinkt. Ganze 200 Tonnen Sand stecken in einem durchschnittlichen Einfamilienhaus, der für die Herstellung von Beton unabdingbar ist. „Wäre es nicht logisch, bei Gewissheit über diese Knappheit, materielle Rohstoffe im Bauwesen so einzusetzen, dass man sie zu einem späteren Zeitpunkt weiter verwenden könnte?“, fragt Burgmer.
Die Rede ist dabei von Gebäuden, die einem Materiallager gleichen würden. Im Fachjargon ist es das kreislaufgerechte Bauen, das vorsieht, die eingesetzten Materialien am Ende eines Lebenszyklus wiederzuverwenden oder zu recyclen. Burgmer mahnt jedoch, es könne dadurch zu einem „Zielkonflikt zwischen Emissions- und Ressourcenvermeidung“ kommen. Im Sinne der Nachhaltigkeit sind also Prioritäten zu setzen. Laut Burgmer haben wir zunächst ein Emissions-Problem. Das Zusammenwirken aus wirtschaftlichen Druck und sozialen Faktoren erschwert die Umsetzung nachhaltigen Bauens. Hinzu kommt, dass Material-Alternativen und gebäudenahe Stromerzeugung kostenintensiv sind.
Eine gesellschaftliche Frage
Es handelt sich also um ein gesamtgesellschaftlichen Problem über den Bausektor hinaus. Burgmer stellt fest: „Ich beschäftige mich weniger mit den Fragen des nachhaltigen Bauens. Da ist viel beantwortet. Wenn wir uns fragen, warum die Konzepte nicht endlich auf die Straße gebracht werden, ist man ganz schnell raus aus der Architektur und bei gesellschaftlichen Fragen. Jeder einzelne muss anfangen sich die Frage zu stellen, wie viel er zum Leben benötigt.“
Es gibt jedoch positive Gegenbeispiele und Ansätze. Dazu zählen die Kölner Clouth-Werke, die unter anderem für nachhaltiges Flächenrecycling ausgezeichnet worden sind. Burgmers Devise lautet vorerst: „Wir sind bereits auf dem Weg. Wir müssen jetzt nur anfangen, mehr zu wagen und Fehler zu akzeptieren. Daraus können wir viel für die Zukunft lernen.“
ALTMODISCH BAUEN - Aktiv im Thema
dasselbe-in-gruen.de/ | Der in Köln ansässige Verband vernetzt Betriebe, die sich konsequent für nachhaltiges Wirtschaften einsetzen.
die-gruene-stadt.de/ | Die in Berlin ansässige Stiftung setzt sich dafür ein, Gesellschaft und Politik für die Bedeutung öffentlicher und privater Grünflächen zu sensibilisieren.
cleanenergy-project.de/gesellschaft/green-lifestyle/asiens-nachhaltigste-stadt/ | Überblick über die Architektur und Stadtplanung der vielleicht grünsten Stadt der Welt: Singapur.
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