Je nach persönlicher Einschätzung des kulturpessimistischen Barometers (Stichwort Dschungelcamp) stehen im Frühjahr die Entscheidungen um die zwei wichtigsten Auszeichnungen der Film- und Fernsehbranche auf Platz 1 oder 2 des Unterhaltungsrankings. Doch die Golden Globes brachten in den Film-Kategorien wenig Überraschendes. Die Fernseh-Kategorien dagegen wurden nach der Lücke, die „Breaking Bad“ hinterlässt, mit mehr Spannung erwartet wie auch spannender vergeben. Ist also aus dem Trend hin zu Serien nun ein Faktum geworden?
Serien stehen mittlerweile ganz oben auf der To-Watch-Liste der Liebhaber guter Erzählungen. Längst haben auch bekannte Hollywood-Schauspieler dieses Format für sich entdeckt und längst sind Serien heiße Konkurrenten für den immer wieder als schwächelnd bezeichneten Kinofilm. Serien werden gut vermarktet, stehen schnell auf Video-on-Demand-Portalen zum dauernden Abruf bereit. Auf dem Branchentreffen des Kinofest Lünen im vergangenen November wurden diese Portale als eine Möglichkeit diskutiert, Kinofilme schnell für alle verfügbar zu machen. Die Verwertung in den Kinos mit einem langen zeitlichen Abstand der Veröffentlichung auf DVD, Sendeanstalt oder einer der Portale sehen viele Filmschaffende zu ihrem Nachteil und als überholt an. Doch damit es für die Kinos und die Verleiher nicht den Ruin bedeutet, wären die Filme zeitgleich oder mit kurzem zeitlichen Abstand auf einem Portal verfügbar, müssen unkonventionelle Wege in der Filmverwertung her.
Für die gewohnte Würdigung des Kinofilms bleiben ja noch die pompösen Academy Awards am 22.2., die ja wohl kaum enttäuschen können. Doch nach der Bekanntgabe der Oscar-Nominierung hieß es: Lasst, die ihr auf Vielfalt setzt, alle Hoffnung fahren. Zugegebenermaßen sind die zahlreichen Nominierungen für „Boyhood“ und „Grand Budapest Hotel“ erfreulich, stehen beide Filme in Story und Bild abseits des Hollywood-Mainstreams. Doch das Hashtag #Oscarsowhite zeigt das Offensichtliche auf: Alle 20 nominierten Schauspieler sind weiß. Hinzu kommt, dass sich unter den nominierten Filmschaffenden keine Frau befindet. Sind diese eindimensionalen Nominierungen tatsächlich ein Abbild der Filmindustrie?
Um der Vielfalt eine Chance zu geben, führte das British Film Institute im September für die Vergabe von Fördermitteln das „Three Ticks System“ ein. Das „Drei-Haken-System“ soll die Beschäftigung von Minderheiten in den drei Bereichen On-Screen, Off-Screen und Aus-/ Weiterbildung fördern. Minderheiten meint dabei auch Frauen und Nicht-Weiße, da sie in der Filmwelt noch immer benachteiligt werden. Trotz des edlen Ansinnens darf man sich fragen, wie es sein kann, dass Nicht-Weiße und Frauen durch eine solche Regelung überhaupt einer Benachteiligung entgehen müssen, stellen sie doch in Puncto Ausbildung, sei es On- oder Off-Screen, keineswegs eine Minderheit dar. (Dass auch Minderheiten nicht benachteiligt werden dürfen, sollte jedem klar sein.) Die Oscar-Nominierungen machen also lediglich deutlich, was überall sichtbar ist: Sobald es um Geld und Prestige geht, lebt die große Filmwelt noch immer alte Rollenbilder vor, sosehr sie dies auch abstreiten mag.
Wenn sich auch in der Filmwelt vieles ändern muss, wünsche ich den Kinogängern für den Februar einen aufregenden Oscar-Monat, in dem nominierte Filme noch einmal oder neu in den Kinos anlaufen und in dem auch abseits des Oscars kleine, vielfältige Schätze auf sich warten lassen.
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