Clowns besaßen immer auch teuflische Züge und transportierten bereits im antiken Theater in den Komödien bösen possenhaften Humor. Die Ausstellung „Böse Clowns“im Dortmunder HMKV widmet sich dieser beunruhigenden Figur, die in letzter Zeit eine „unheimliche“ Karriere gemacht hat. (Böse) Clowns tauchen heute in den unterschiedlichsten Kontexten auf: in der (Anti-)Werbung (Ronald McDonald und Parodien), im politischem Aktivismus (The Yes Men), in Fernsehserien (Krusty bei den „Simpsons“), in Horror- und Hollywoodfilmen („Killer Clowns from Outer Space“, Pennywise in Stephen Kings „Es“, der Joker in „Batman“), in der Popmusik (Der Plan, The Residents) und in der zeitgenössischen Kunst. Bereits 1979 sang die Düsseldorfer Band Der Plan „Gefährliche Clowns stehn’ am Straßenrand“. Der maskierte Spaßmacher bringt uns zum Lachen – welches uns aber sehr schnell im Halse stecken bleibt: „There’s nothing funny about a clown in the moonlight“ (Lon Chaney). Der Northampton Clown hat dies erst kürzlich wieder eindrücklich demonstriert. Der Hartware MedienKunstVerein geht in seiner internationalen Ausstellung der ambivalenten Figur des (bösen) Clowns auf den Grund. trailer sprach vorab mit der Kuratorin Inke Arns:
trailer: Warum werden Clowns zu Projektionsflächen des Unbehagens?
Inke Arns: Die Frage muss man, glaube ich, eher an die Populärkultur stellen. Das ist ein Phänomen, das man seit den 80er Jahren beobachten kann, als so Filme wie Stephen Kings „Es“ gedreht wurden, wo Pennywise als der urböse Clown auftaucht oder auch B-Movie-Produktionen wie „Killerclowns from Outer Space“. Ich vermute, dass diese bösen Clowns später den Joker beeinflussten, der auch eine ganz bestimmte Verkörperung des Bösen ist, eben als Gegenspieler von Batman. Ich glaube aber, dieser Umschlag von Clowns als naiven, guten und lustigen Gesellen hin zu Figuren, die wirklich ultraböse sind, hat mit John Wayne Gacy zu tun, der gesagt hat, Clowns lässt man alles durchgehen, sogar Mord. Der war ein Serienmörder, der in den 70er Jahren 33 Jugendliche sexuell missbraucht und ermordet hat und dann unter seinem Haus verscharrte. Bekannt wurde er als Pogo der Clown oder der Killerclown, und er hat die Figur des Killerclowns geprägt. Die wird auch in unserer Ausstellung zu sehen sein. Wir haben 10 riesige Wandtapeten gemacht und eine zeigt die Farbfotografie von Pogo, wie er hinter einer Tanne steht, und mit Luftballons winkt. King hat das später übernommen. Es ist gleichzeitig auch eine Ausstellung über Amerika, die wir hier machen, denn es sind viele sehr typisch amerikanische Phänomene.
Hat sich der dumme August zum zynischen Narren weiterentwickelt?
Es existiert ein sehr komplexes Bild des bösen Clowns, das wir in der Ausstellung zeichnen. Das geht bis zu Politaktivisten, die sich gar nicht mal der Maske des Clowns bedienen, Christoph Schlingensief oder The Yes Men zum Beispiel. Die treten auf wie Vertreter der Dow Chemical Corperation, und trotzdem fand ich es interessant die mit einzubeziehen. Einerseits weil im aktuellen Aktivismus so Figuren auftauchen wie Anonymous, der sich dieser Guy-Fawkes-Maske bedient,die mit den geschminkten Zügen und dem Lächeln ja auch clownesk aussieht. Die wird insbesondere dann bedrohlich, wenn Tausende mit dieser Maske auftauchen. Andererseits ist Schlingensief interessant, weil er natürlich auch in die Maske des Entertainers schlüpft. Die Unterhaltungsshow U3000, die wir hier zeigen, hat er 2000 für MTV gemacht und in einer fahrenden U-Bahn gefilmt; dabei überschreitet das oft die Grenze des Erträglichen. Das ist ein sehr überzogenes Zerrbild von Unterhaltung, die wir täglich konsumieren. Zynismus ist dabei ein ganz wichtiger Aspekt, der diesem aktuellen bösen Clown zukommt und den es früher bei Clowns so in der Form nicht gab. Das sieht man interessanterweise auch an der Figur des Jokers in Batman. Jack Nicholson spielt ihn und dann Heath Ledger. Dieser Wechsel von einem entstellten Kriminellen zu einem kranken Psychopaten, der aus Lust an der Zerstörung zerstört. Der ist „beyond criminal“ und gleichzeitig sagt er so viele Dinge, die wahr sind, die mir beim Zuhören öfters auch mal Angst machen. Wo muss eine Gesellschaft hin, damit sie so eine Figur braucht, die die Wahrheit ausspricht? Der Hofnarr war noch jemand, den sich der König am Hof gehalten hat, und dem es als Einzigem erlaubt war, die Wahrheit auszusprechen, auch weil er die Maske des Clowns getragen hat. Er hatte im Prinzip eine Ventilfunktion, konnte etwas sagen, obwohl es verboten war, und so ein bisschen Druck ablassen aus dem Kessel.
In der Politik findet man viele böse Clowns ohne Maske.
Ja.
Bei den Künstlern spielt die Maske aber letztlich keine Rolle mehr?
Na ja. Bei Schlingensief oder The Yes Men sicher. Anders bei „Killerclowns from Outer Space“. In dem genialen Film reisen die Killer in der Maske des Clowns in einem Zirkuszelt durchs Weltall. Das sind Außerirdische, die wollen Planeten kolonisieren und brauchen Menschen, um sie aufzufressen. Wegen der Maske hat niemand Angst vor denen. Aber dann kommt die Pistole mit der Zuckerwatte, und die Leute werden eingesponnen, das funktioniert wie ein trojanisches Pferd.
Nur Maskierung plus Gruselhistorie aus Amerika gleich Anarchie?
Ich glaube, das Grauen, das sich mit dieser Maske transportiert, ist, dass der Clown eigentlich alles machen kann, ohne dafür belangt zu werden. Und das beantwortet vielleicht auch noch mal die Frage nach den unmaskierten Clowns der Politik. Bestimmte Masken erlauben es dir, ungestraft Dinge zu tun.
Mir fehlen die Marx Brothers.
Wahrscheinlich ist das mehr eine Generationenfrage. Ich kenne die natürlich, aber die waren jetzt nicht unbedingt Teil meiner eigenen Sozialisierung.
„Böse Clowns“ | bis 8.3.15 | Eröffnung: Fr 26.9. 19 Uhr | Hartware MedienKunstVerein | www.hmkv.de
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