Alle Welt redet über die von der Schwedin Greta Thunberg mitinitiierten Schulstreiks für das Klima. Die daraus hervorgegangene Schüler- und Studenteninitiative „Fridays for Future“ ist seit einiger Zeit auch in Köln aktiv – und das wöchentlich. Jeden Freitagmorgen finden sich hunderte von SchülerInnen am Alter Markt zusammen, um ein Zeichen für den Umweltschutz zu setzen. Die Hauptforderung dabei ist ein baldiger Kohleausstieg.
Kein Schuleschwänzen
Die Aktionen können unterschiedliche Formen annehmen: Mal sind es organisierte Großdemonstrationen, wie die globale Klimademonstration, die am kommenden Freitag (15.3.) vor dem Bahnhofsvorplatz stattfinden wird, mal sind es Kundgebungen mit Ansprachen, Musik und Gruppenaktivitäten. Am letzten Freitag, den 8.3. organisierten die SchülerInnen eine öffentliche Malaktion. Begleitet von anregender Musik verzierten dort junge Aktivisten eifrig den Platz vor dem Rathaus mit Straßenmalkreide. Neben Abbildungen von Kühltürmen und hoffnungsvollen Sprüchen à la „Save the Earth“ waren auch forschere Parolen zu finden, aus denen die Verzweiflung der Jugendlichen sprach („Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Zukunft klaut“). Die Stimmung bei der Veranstaltung war kraftvoll, das Gefühl der Hoffnung und Dynamik, das die jungen SchülerInnen verbreiteten, immens.
Und genau in diesem Merkmal unterscheidet sich der Schülerstreik „Fridays for Future“ von den Reden scheltender Politiker oder dem Lesen eines Klimaberichts. Hier wird ein Gefühl deutlich, das oft vernachlässigt wird: Hoffnung. Die SchülerInnen scheinen noch an eine bessere Zukunft zu glauben, an eine Eigenwirksamkeit des Einzelnen und an die Veränderung, die kollektive Bewegungen bewirken können. Sie strotzen vor solcher Energie und Tatendrang, gleichzeitig widerlegen sie durch ihre Aktionen das Vorurteil des hedonistischen Jugendlichen, der vornehmlich an sich selbst und nicht an gesellschaftspolitischen Themen interessiert ist. Die Schüler wirken, als seien sie sich der Größe des Problems bewusst, trotzdem sind sie nicht eingeschüchtert, sie wirken besorgt und dennoch positiv.
Auch viele der Passanten bewundern die Aktivisten: „Es ist großartig, dass die Schüler sich zusammen tun, auf die Straße gehen und für ihre Meinung einstehen“, berichtet zum Beispiel Georg Kirchner, der zum Beobachten des Treibens vorbeigekommen ist.
Abwechselnd ergreifen verschiedene Jugendliche das Megafon, denn es gibt keinen Wortführer und keinen Hauptorganisator bei „Fridays for Future“. Die Bewegung ist ein Gemeinschaftsprojekt von Schülern, die sich hauptsächlich durch soziale Medien zusammengefunden haben und gemeinsam für dasselbe Ziel einstehen. Einer der Aktivisten, Leander Dieckow, ist sich dabei des immensen Potenzials der sozialen Medien bewusst: „Leute kontaktieren, zu Demos aufrufen, Änderungen kundgeben, das alles geht heute viel schneller als früher“, erzählt er – und das ist vermutlich auch der Grund für die globale Größe, die die Schülerbewegung in kürzester Zeit angenommen hat.
„Fridays for Future“ ist an keine Partei oder Organisation gebunden und dass das auch so bleibt, ist den SchülerInnen wichtig: „Es soll eine Jugendorganisation bleiben“, plädiert Dieckow. „Wir wollen nicht vereinnahmt werden.“ Dazu gehöre auch, dass die wöchentlichen Plenen, in denen die Teilnehmer sich treffen, um Spendengelder, Neuanschaffungen und Arbeitsteilungen zu besprechen, schülerintern bleiben. Um auch auf Bundesebene agieren zu können, hat jede Ortsgruppe, die an der Bewegung teilnimmt, Delegierte gewählt. Eine schöne Beobachtung (aber gleichzeitig eine Gefahr für die Eigenständigkeit der Bewegung) sei, dass auch immer mehr interessierte Eltern an den Aktionen und wöchentlichen Plenen teilhaben wollen. Als Lösung dafür ist bereits die Bewegung „Parents for Future“ entstanden. Bei der kommenden Großdemonstration am 15. März sei bereits ein eigener Demonstrationsblock für Eltern geplant.
„Wir wollen keine Streicheleinheiten, sondern dass sich etwas ändert"
Dass die AktivistInnen derartigen Zuspruch in der Bevölkerung finden, vergrößert die Chance, dass die Botschaften der SchülerInnen gehört werden. Trotzdem ist es nicht Anerkennung nach der die SchülerInnen streben: „Wir wollen keine Streicheleinheiten, sondern dass sich etwas ändert“, sagt Dieckow. Im Unterricht werde viel zu wenig über Klimawandel geredet, also müsse man es auf diese Weise tun. Zu den Befürwortern der Bewegung gehört auch der Rentner Wolfgang Wewer. Er ergriff an diesem Freitag kurzerhand das Megafon um den Jugendlichen seinen Zuspruch auszusprechen. „Es regt mich auf, dass so viele meinen, ihr wolltet nur Schule schwänzen“, beginnt er seine Rede. Eine Anschuldigung, die sich für jeden erübrigt, der einmal an einem der Streiks teilgenommen hat, denn hier wird klar: Diese Jugendlichen sind nicht hier, um Schule zu schwänzen, diese Jugendlichen streiken für ein ernstes Thema und wollen ernstgenommen werden.
Die Lehrer und Schulen gehen unterschiedlich mit den Fehlzeiten um, die die Streiks verursachen. Auf unsere Frage, was die Lehrer zu dem Thema sagen, antwortet Dieckow: „Meine Lehrer dulden es weitestgehend“, erklärt uns Dieckow, „was sollen sie auch anderes machen“, und lacht. Einzelne wären sogar selbst gerne bei den freitäglichen Aktionen dabei. Und die Polizei? Letzte Woche sei ein Polizist zu den Jugendlichen gekommen und habe sie darauf hingewiesen, dass die Bildungs- und Schulministerin Yvonnne Gebauer (FDP) allein zwei Stunden Streik bewillige. Danach müssten die Schüler wieder in die Schule. Eine Möglichkeit sei es, für die Schulzeiten Urlaub zu beantragen, wie es einige der AktivIstinnen für die Klimademonstration am nächsten Freitag tun.
Klimademo Köln - FridaysForFuture | Fr 15.3. 9 Uhr | Bahnhofsvorplatz | Fb: FridaysforFutureKoeln
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Theatrales Kleinod
Neues Intendanten-Duo am Schlosstheater Moers ab 2025 – Theater in NRW 04/24
Die Hunger-Spiele
Die Filmstarts der Woche
„Viel Spaß beim Film“
Vom Ende der Platzanweiser:innen – Vorspann 04/24
„Zu uns gehört das Lernen von den Alten“
Intendant Olaf Kröck über die Ruhrfestspiele 2024 – Premiere 04/24
Keine Panik!
Teil 1: Leitartikel – Angst als stotternder Motor der Vernunft
Ein Baum im Herzen
„Eschenliebe“ am Schauspielhaus Bochum – Prolog 03/24
Das eigene Land
„Revisions“ im Rautenstrauch-Joest-Museum Köln – Kunst in NRW 03/24
Intensive Blicke
Fotografin Annelise Kretschmer im MKK Dortmund – Ruhrkunst 03/24
Glücklich bis ans Ende?
„Star-Crossed Lovers“ in Essen – Prolog 03/24
Altbewährtes und neue Formate
Das Klavier-Festival Ruhr mit neuer Intendantin – Festival 03/24
Unterschiedliche Erzählungen
Vortrag zur Geschichte des Nahostkonflikts in Bochum – Spezial 03/24
Verloren im Nebel
Das Duo Paula Rot im Foyer des Theaters Duisburg – Bühne 03/24
Keine Illusionen
Wolf D. Harhammer im Museum Folkwang in Essen – kunst & gut 03/24
Pure Lust an der Musik
Das Thomas Quasthoff Quartett im Konzerthaus Dortmund – Improvisierte Musik in NRW 03/24
Blickwechsel in der Musikgeschichte
Drei Spezialisten der Alten Musik in der Kölner Philharmonie – Klassik am Rhein 03/24
„Alles ist heute deutlich komplizierter geworden“
Julien Hervé über „Oh la la – Wer ahnt denn sowas?“ – Gespräch zum Film 03/24
Kultige Cover
Designagentur Hipgnosis in Oberhausen – Ruhrkunst 03/24
Lebensfreunde wiederfinden
„Ich mach dich froh!“ von Corrinne Averiss und Isabelle Follath – Vorlesung 03/24
Geschwisterpower
Kanneh-Mason Trio in Dortmund – Musik 03/24
Spiel mit den Elementen
Alexej Gerassimez & Friends im Konzerthaus Dortmund – Klassik an der Ruhr 03/24
Liebe und Gewalt
„Told by my Mother“ in Mülheimer a.d. Ruhr – Tanz an der Ruhr 03/24
„KI erlaubt uns einen Einblick in ein kollektives Unbewusstes“
Kuratorin Inke Arns über Niklas Goldbachs „The Paradise Machine“ im Dortmunder HMKV – Sammlung 03/24
„Kafka empfand für Dora eine große Bewunderung“
Henriette Confurius über „Die Herrlichkeit des Lebens“ – Roter Teppich 03/24
Grund des Vergessens: Rassismus
Oper von Joseph Bologne am Aalto-Theater Essen – Oper in NRW 03/24
Damit eine grausame Tradition endet
Teil 1: Lokale Initiativen – Düsseldorf: Verein stop mutilation gegen weibliche Genitalbeschneidung