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Mit Käse fängt man kleine Mäuse, doch wehe wenn diese Falle wirklich zuschnappt
Foto: Diana Küster

Vom Überleben zwischen Staubsauger, Geflügel und Falle

28. November 2013

Intendant Christian Tombeil inszeniert in Essen das Weihnachtsstück „Anton, das Mäusemusical“ – Auftritt 12/13

Geschenke sind Mist, Staubsauger auch, beide dienen im Dezember dem Müll in Geschenkpapier. Oha, dazu ein Musical für Kinder zur heiligen Adventszeit, wo Sechsjährige in der Pause mit ihren Müttern gegen Katzen argumentieren? Das Theater Essen dürfte in diesem Jahr mit „Anton, das Mäusemusical“ das Highlight der Ruhrgebiets-Weihnachtstücke abliefern. Nicht nur weil Intendant Christian Tombeil das erste Mal selbst inszeniert, nicht nur weil Essen sich wohltuend vom sonstigen ewigen Einerlei abhebt, obwohl die Stadt für Mäuse ja ein Kaff ist, Hauptstadt der Mäuse ist und bleibt Köln. Gerne.

Nun der Reihe nach: Alles spielt im Wohnzimmer der Familie Hoffmann. Hier leben die Mäusebrüdern Franz, Willi und Anton mit ihrer Freundin, der Spinne. Hier wird fürs Überleben trainiert, Anton in die wichtigen Regeln der Mäusezunft eingeführt, Anton ist nämlich Musiker, ein Wunderkind, mit einem Schwanz als Notenschlüssel. Die natürlichen Feinde sind ganz klar die Hoffmanns, insbesondere Oma und Kinder, der böse Staubsauger und der ständige Hunger. Aber eigentlich ist das Leben lustig und abwechslungsreich, auch wenn Antons Geigenkünste noch echt zum Vergessen sind. Das beliebte Kinderstück von Gertrud und Thomas Pigor mit Musik von Jan-Willem Fritsch hat Längen, die im Grillo aber elegant mit zum Teil halsbrecherischen Regietricks und Liveband überspielt werden.

Tombeil schafft dafür den großen Auftritt, zelebriert Kindertheater mit rotierendem Sternenhimmel von der riesigen Discokugel und einer furiosen Spinne (Lisa Jobt), die zu Beginn über den Köpfen der Zuschauer mystisch verklärt und erklärend in ihr Netz schwebt, das doch ein bisschen an Peter Pans Takelage des vergangen Jahres erinnert. Die Spinne sieht sich als Künstlerin, webt ihre filigranen Netze nicht nur zum Broterwerb, sondern auch als performative Installation und artifizielle Raumgestaltung, selbst vor den heiligen drei Königen in der Weihnachtskrippe macht sie nicht halt. Gabriele Wasmuth hat eine Bühne geschaffen, die den staubigen Raum unter dem Sofa darstellt.

Da liegen riesige Wattestäbchen, monströse Sektkorken und eine überdimensionale Streichholzschachtel, da hängt die weiße Steckdose an der Wand, alles natürlich nur deshalb so groß, weil die Mäuse eben klein sind. Selbst die ramponierten Federn des Sofas können sie als Kletterstangen benutzen. Die Hoffmanns selbst kommen hinter einer weißen Wand als Schatten in Übergröße, ein cleverer Regietrick und ziemlich bedrohlich für die Mäuse, die sich schon mal halsbrecherisch mit ein paar Makrönchen vom Adventskranz eingedeckt haben, eine Tat die die blöden heiligen Könige in der Krippe wohl nicht heil überstanden haben – denn in der Ferne droht das gefährliche Geflügel in Gestalt des Weihnachtsbaum-Christkinds!

Dann wird es noch turbulenter – man merkt, dass Intendant Tombeil vom Musiktheater kommt, Tante Lizzy aus Köln reist wegen der Leckereien an, die Mäuse singen: „Das macht eine Maus aus“, es kommt der Tag, da will der Staubsauger saugen, der dicke Willi (großartig Markus Schneider, der die Rolle für einen erkrankten Kollegen erst drei Tage vor der Premiere übernommen hat) wird gnadenlos im Rohr verschluckt. Ein Schrei. Frau Hoffmann weiß nun, wer unter ihrem Sofa lebt. Nichts wird mehr so sein, wie vorher, kein Krümelchen wird die Mäuse in der Vorweihnachtszeit erfreuen. Tante Lizzy kriegt nen Schreikrampf, die hyperaktiven Kinder werden flugs in die Pause entlassen.

Denn für das Böse sollen sie aufmerksam sein. Frau Hoffmann hat nämlich nicht nur eine martialische, mit Käse bestückte Mausefalle aufgestellt, nein den Mäusebrüdern droht auch Unheil von einem Kinder-Wunschzettel auf dem sich sehnlichst eine Katze gewünscht wird und die steht ja bekanntlich in der Nahrungskette etwas höher. Keine Plätzchen und Lebensgefahr. Die Survival-Methoden werden härter, die Altergrenze fürs Verständnis erhöht sich leicht. Immer noch werden die Szenen von Songs bemalt, immer noch bleibt die Choreografie abwechslungsreich. Ob die Mäuse aber überleben und warum, das sollten Sie sich mit ihren Kindern selbst ansehen.

„Anton, das Mäusemusical“ | Mo 2.12. 12 Uhr | Grillo-Theater Essen | 0201 812 26 00

PETER ORTMANN

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