Bereits für ihren ersten Langspielfilm „Madeinusa“ wurde die peruanische, in Barcelona lebende Regisseurin Claudia Llosa mit zahlreichen Preisen bedacht, unter anderem gewann sie den Debütpreis des Internationalen Frauenfilmfestivals 2006 in Köln. Ihr zweites Projekt „La teta asustada“ wurde u.a. vom World Cinema Fund gefördert und landete im Wettbewerb der diesjährigen Berlinale. Doch damit nicht genug – der bildgewaltige Film über die Verarbeitung von Kriegs-Traumata wurde von der Jury unter dem Vorsitz von Tilda Swinton mit dem Hauptpreis, dem Goldenen Bären ausgezeichnet. In einer bewegenden Dankesrede erfreute Hauptdarstellerin Magaly Solier das Publikum mit einer Probe ihrer Sangeskunst auf Quechua, alle im Film gesungenen Lieder hat sie selbst komponiert. Magaly, die bereits in „Madeinusa“ die Hauptrolle spielte und von der jungen Filmemacherin Llosa entdeckt wurde, verkörpert die junge Indígena Fausta, die an der Krankheit der „verängstigten Brust“ leidet, bei der die während des Bürgerkriegs in Peru vergewaltigten und misshandelten Frauen ihre Angst und ihren Schmerz durch die Muttermilch übertragen. Diese Krankheit ist im kollektiven Bewusstsein der Peruaner, die den Terror des Kriegs erlebt haben, tief verankert. Damit ihr kein ähnliches Schicksal wie ihrer Mutter widerfährt, hat Fausta eine ungewöhnliche Vorsorge getroffen: Als Schutzschild hat sie eine Kartoffel in ihre Vagina eingeführt. Ein starkes Symbol, steht die Kartoffel in Peru doch für Fruchtbarkeit und Verwundung gleichermaßen. Nach dem Tod ihrer Mutter muss Fausta lernen, ihr Leben in die Hand zu nehmen. „La teta asustada“ ist ein Portrait einer andinen Poblation am Rande Limas auf dem Sprung zur Modernität, die an ihren Liedern und Traditionen festhält, um sich ihre Identität zu wahren.
Mit ganz anderen Identitätsproblemen hat sich Maren Ade befasst, die mit ihrem ebenfalls erst zweiten Langspielfilm „Alle Anderen“ überzeugen konnte: Der Film über den gemeinsamen Sardinien-Urlaub eines jungen Paares wurde in Berlin mit gleich zwei Bären bedacht, dem Darstellerinnen- Preis für die herausragende Birgit Minichmayr sowie dem Großen Preis der Jury (ex aequo mit „Gigante“ von Adrián Biniez). Minichmayr ist Gitti, eine selbstbewusste junge Frau, die im Ferienhaus der Eltern ihres Freundes diesen von verschiedenen Seiten kennen lernt. Chris ist Architekt, angeblich so kompromisslos, dass er deshalb noch keine Erfolge vorweisen kann, doch die herausfordernde, direkte Art von Gitti bereitet ihm Probleme. Mehr und mehr entzieht er sich ihr, sucht die Nähe der „Anderen“, einem sehr erfolgreichen Yuppie-Paar ... Eine durchaus private Erzählung, die von den starken Darstellern und ihren Dialogen lebt, erhält in Ades geschickter Inszenierung zugleich eine gesellschaftliche Dimension. In der Art, wie die beiden sich in ihren Geschlechterrollen winden und Fragen rund um Karriere, Selbstverwirklichung und Authentizität aufgeworfen werden, bringt die Regisseurin – ganz nebenbei – die Probleme einer ganzen Generation aufs Tablett.
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