Bochum, 9.9. – Über sechs Jahre hat Christoph Böll an seiner Hommage über den legendären Kunsthistoriker Max Imdahl gearbeitet. Zu der Filmpremiere im Union Kino in Bochum kamen auch zahlreiche Kollegen, Freunde und Schüler, die in dem Dokumentarfilm mitreißend eloquent und wortgewandt Imdahls bahnbrechenden Einfluss schildern. Christoph Böll verwies zu recht in dem einführenden Filmgespräch darauf, dass es diese Menschen sind, die dem Film die Stärke geben, unglaubliche Individualisten mit der Gabe sich präzise und anschaulich zu erklären. Obwohl sich die Film-Finanzierung extrem schwierig gestaltete, so Böll, sei es für ihn völlig klar gewesen, weiterzumachen als folge er einem inneren Auftrag.
Was er über das Wirken Max Imdahls, vor allem in seinen Jahren als Professor an der Ruhr Universität Bochum (1965-1988), zusammenträgt, lässt diesen filmischen Auftrag plausibel erscheinen. Imdahl gehörte mit zu den Gründern der RUB, für die er sich als Anhänger der Moderne auch architektonisch begeistern konnte. Er, der laut seiner damaligen Mitstreiter, allergisch auf bildungsbürgerliche Attitüde reagierte, liebte diese Uni, die die Bildung zur Arbeiterschaft bringen sollte. Der im Ruhrgebiet beheimatete „unflätige Widerspruch“ und die Aufbruchsstimmung in dieser Situation empfand Imdahl als so produktiv, dass er einen vermeintlich attraktiveren Ruf nach Zürich schlichtweg ausschlug. Seine Studenten, mittlerweile oft selbst angesehene Kunsthistoriker und Museumsdirektoren, beschreiben ihn im Film als begnadeten Lehrer, der mit seinen Gedanken über die künstlerische Moderne Neuland beschritt. Darüber hinaus behandelte er auch die ältere Kunst immer als gegenwärtige, uns betreffende Kunst. Seine Art der Auseinandersetzung mit den Kunstwerken, keine vorformulierten Urteile abzuspulen, sondern die Zuhörer am Finden des Gedankens teilhaben zu lassen, prägte sie nachhaltig. Getrieben von einer ungeheuren Neugierde war er offen für das, was man nicht direkt versteht. Es ging ihm darum, die sinnliche Erfahrung eines Kunstwerks in Worte angemessen zu übersetzen. Schönes Beispiel ist die harsche Debatte um Richard Serras Skulptur „Terminal“ am Bochumer Hauptbahnhof in den 70er Jahren, die Böll wieder aufgreift. In Carmen Thomas‘ Ü-Wagen echauffiert sich Volkes Stimme über das Werk von der Documenta VI, mit dem man nichts anfangen konnte. Warum kann man es nicht ertragen, dass es etwas gibt, was man nicht versteht? Imdahl lenkte die Aufmerksamkeit auf das Moment, wo andere Aufhören zu Schauen. Er war auch ein bisschen verrückt, bescheinigen ehemalige Arbeiter von Bayer, mit denen der Exzentriker 1977 über moderne Kunst diskutierte, „aber das war ja das Spannende.“, nämlich wie man sich mit unbekannten Dingen auseinandersetzt.
In der „Situation Kunst“ [www.situation-kunst.de], die von Imdahls Geist maßgeblich geprägt ist, spürt der Filmemacher Christoph Böll in Tanz- und musikalischen Improvisationen den Ausführungen nach.
„Alle Bilder sind Antworten. Aber man muss die Frage finden, auf die das Bild antwortet.“
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