In der Krise steckt Potenzial. Diese Erkenntnis hat Slava Gepner im letzten Jahr auf dramatische Weise erfahren. Die Herausforderungen für die von ihm geleitete TanzFaktur waren gigantisch. Nicht nur die Einnahmen brachen mit dem zweimaligen Lockdown weg. Zeitgleich nahm Gepner mit dem Theater der Keller einen mächtigen Player in die Faktur auf. Ein Doppelhaus der darstellenden Künste entstand im rechtsrheinischen Köln, das allein von Juli bis Dezember 40 Tanzproduktionen herausbrachte. Schon diese Tatsache ist ein kleines Wunder für jeden Kenner der Kulturszene in der Domstadt.
„Dieses Jahr hat mich verändert“, sagt Slava Gepner, „Es sah düster aus und dann ist unserem Team wahnsinnig viel gelungen.“ In der Not wuchsen der TanzFaktur etliche Hilfen zu. Hatten die Banken noch vor Jahren bei seinen Bemühungen um einen neuen Ort für den Tanz in Köln zu verstehen gegeben, dass sie keine finanzielle Perspektive für kulturelle Innovationen innerhalb der freien Szene sahen, wendete sich nun das Blatt. Gepners Bereitschaft, die eigene Existenz aufs Spiel zu setzen, um ein Tanzhaus in Köln zu etablieren, wurde von der Stadt und vom Land NRW wahrgenommen. Das zeigte sich im Herbst, als Slava Gepner der Ehrentheaterpreis verliehen wurde. Der Jury war offenbar daran gelegen, ihm mit dieser Entscheidung Rückenwind zu verschaffen. „Ich brauchte Zeit, um mich mit dieser Auszeichnung zu akklimatisieren“, gesteht Gepner, „Ich fühle mich immer noch als Künstler und erst in zweiter Linie als Theaterleiter.“ Mit der Anerkennung für sein Team konnte er aber doch leben, und der Preis ist auch als Anleihe auf die Zukunft zu verstehen.
Derzeit stellt man die Weichen für die Veranstaltungen der „Sommerakademie“. Choreographien internationaler Künstler belüften mit ihren Ideen und Eigenheiten die freie Szene während der Sommermonate. Außerdem soll die Faktur zu einer Tanzbühne mit Qualitätsstandard werden. Experimente mit Niveau verspricht die dauerhafte Zusammenarbeit mit Gruppen wie bodytalk, Overhead Project und Cocoon Dance, dem Team von Emanuele Soavi oder den Choreographinnen Ursina Tossi und Reut Shemesh. Mitunter sei er sich bei seiner Arbeit wie Don Quijote vorgekommen, der gegen Windmühlen kämpft, sagt Slava Gepner, aber nun zeigt sich, dass sein Engagement Früchte trägt.
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