Neues Jahr – neues Glück. Als würde am 1.1. alles auf Null gestellt werden, als wäre Neujahr eine Zäsur, als gelte „What happens in 2013, stays in 2013“, raffen sich wieder einmal Millionen Menschen zu guten Vorsätzen auf, die das beginnende Jahr von dem vergangenen unterscheiden sollen. Netter Impuls für einen Moment, doch in der Realität gibt es selten einen Cut, eine 180 Grad-Wendung. Zum Glück. Zumindest für das Kino. Denn das macht im Ruhrgebiet da weiter, wo es nicht aufgehört hat. Mit Festivals, Blickpunkten, Specials und Aktionen. Dran am Puls der Zeit.
Auf die immer noch aktuelle Diskussion über das Bild der Frau in Medien und Gesellschaft, Frauenquote und zig Feminismuspositionen gibt das Kino im Januar eine ungezwungene Antwort, indem es all die Für und Widers hinter sich lässt, und einfach einen kurzen Schwerpunkt auf Filme weiblicher Filmschaffender legt. Die Lichtburg in Oberhausen lädt vier Monate vor den Kurzfilmtagen zu den Frauenfilmtagen ein und präsentiert eine bunt gemischte Filmauswahl, die die Regisseurinnen mit Filmgesprächen abrunden. Vorbildlich seinem Bildungsauftrag gerecht wird das Kino während der Schulkinowochen NRW. In nahezu allen Kinos NRWs werden ab Mitte Januar ausgesuchte Filme für Kinder und Jugendliche angeboten, die diese im Klassenverband während der Schulzeit besuchen können. Neben der Freude ins Kino gehen zu können bietet dies Schülern die Möglichkeit, sich reflektiert mit dem Medium Film, seinem Inhalt und seinem Handwerk auseinanderzusetzen. In ausgewählten Kinos geben Gäste, die hinter der Kamera arbeiten, Einblicke in die aufwändige Welt der Filmproduktion und räumen so mit der Vorstellung vom bloßen Glanzprodukt Film auf. Den Anfang macht zur Eröffnung am 16. Januar im sweetSixteen Dortmund der Kameramann Lutz Reitemeier, der zuletzt mit „Das Mädchen Wadjda“ ein Stück saudiarabische Mentalität und Lebenswelt näher brachte.
Auf die Rolle des Films als Kulturvermittler stützen sich auch die Essener Filmkunsttheater, wenn sie Ende Januar das14. französische JugendfilmfestivalCinéfête beherbergen. Den etwas verschleppten Trend zu Originalsprache mit Untertiteln folgend, vermitteln die in Essen gezeigten französischen Filme Sprache und Lebensgefühl des Nachbarlandes womöglich eindrücklicher als Vokabeln und Konjugationstabellen. Und da die Neugierde auf fremde Welten und Kulturen nicht mit der Bildungslaufbahn endet – ist dem so, ist gründlich etwas schiefgelaufen – haut der Monat Januar mit dem 15. Dokumentarfilmfest Stranger than Fiction ein buntes Potpourri von wahren Geschichten im Kinoformat raus. Vom 24. Januar bis 13. Februar verwundert, verblüfft und verärgert in sechs NRW-Städten, darunter Duisburg, Bochum, Dortmund, das echte Leben, so seltsam und fremd es sich gibt. Ob der kurdische Bienenzüchter in „Der Imker“, wir das Volk in „Der große Demokrator“, oder Radrennfahrer auf der „Tour du Faso“ – alle werden zu Erzählern einer Geschichte, die sich aus vielen zusammensetzt und die auf den Kinosesseln weitergeführt wird. Im anschließenden Gespräch mit den Filmemachern als auch aber in dem, was man daraus macht.
Kino soll sicherlich nicht belehrend sein, soll keine weitere Bildungseinrichtung sein, vielmehr Unterhaltung und Freude bringen, wofür das Kinoprogramm im Januar auch jegliches Potenzial hat. Aber darf und sollte Kino nicht auch einen Impuls geben, sich neuen Gedanken zu öffnen? Und für diesen Vorsatz bedarf es nicht einmal eines Jahreswechsels.
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