Man findet sie im Netz. Alle Informationen zu den großen Verschwörungen dieser Zeit. Auf Homepages die im Katastrophenton die ungläubige Menschheit über die einzig existierende Wahrheit aufklären wollen und müssen. In Videos, die mit düsterer Hintergrundmusik den Zuschauer in eine Welt befördern, in der es nur das eine gibt: Das nackte Böse.
Hier erfährt man, dass wir in einer durch und durch manipulierten Gesellschaft leben. In Regierungen und Konzernen sitzen die wahren Lenker der Welt, gleich einem Ernst Stavro Blofeld streicheln sie mit der einen Hand die weiße Katze, und bringen mit der anderen Verderben und Täuschung über die Menschheit. Und wir, die braven Bürger, haben keine Ahnung, bis auf die paar Sehenden, die nun die Weltbevölkerung über die einzig wahre Realität aufklären.
Um ein paar Beispiele zu nennen: Chemtrails sind nicht etwa kondensierte Flugzeugabgase, sondern eine Mischung aus Chemikalien und anderen Zusätzen, die wahlweise für das Geoengineering, zu militärischen Zwecken oder aber ganz perfide zur Reduzierung der Weltbevölkerung dienen. Hinter den Anschlägen von 9/11 steckte die amerikanische Regierung selbst, die lediglich eine Entschuldigung brauchte, um im Nahen Osten Kriegs- und Eroberungspläne durchzusetzen. Und Lady Diana wurde eigentlich vom britischen Geheimdienst MI6 ermordet. Mag man glauben, muss man aber nicht.
Grundlage für Verschwörungstheorien ist laut Psychologen das tiefe Misstrauen in Institutionen und deren Aussagen zu bestimmten Ereignissen. Bösartigerweise könnte man Verschwörungstheoretiker nun als Schwarzseher bezeichnen. Tatsächliche Verschwörungen gießen da allerdings Öl ins Feuer: Wie beispielsweise die Prism-Affäre um Edward Snowden. Ja, solche Dinge passieren wirklich, aber nicht alles, was wir nicht erklären können, ist gleich eine Verschwörung.
Der größte Feind des Verschwörungstheoretikers ist der Zufall. Denn schreckliche Ereignisse passieren nicht einfach. Für alles muss es eine Erklärung geben, sei sie auch noch so düster. Gegenargumente laufen in der Regel ins Leere. So hat zum Beispiel der Physiker und Krebsforscher David Robert Grimes eine mathematische Formel erstellt, mit der sich berechnen lässt, wie lange es ungefähr braucht, bis eine Verschwörung zu 95% auffliegt. Dabei kommt es nicht nur auf die Zahl der Eingeweihten an, sondern auch die Sterblichkeitsrate eben dieser. Prinzipiell gilt, je mehr Mitwisser es gibt, desto wahrscheinlicher ist es, dass die ganze Sache auffliegt.
Dennoch glauben Verschwörungstheoretiker an lang angelegte und hoch geheime Intrigen, und bleiben auch im Falle von Dementis und logischen Entkräftigungen ihrer Meinung belehrungsresistent. Auch Ockhams Rasiermesser bleibt dann gerne mal im Badezimmerschrank. Und nicht nur das. Gerade in einem Dementi sehen Verschwörungstheoretiker eher die Bestätigung des Komplotts. Eine Widerlegung ist somit unmöglich. Der Versuch, Erklärungen für schlimme Ereignisse zu finden ist sicherlich menschlich. Warum man aber eine schlimme Begebenheit mit einem noch perfideren und schrecklicheren Hintergrund begründet, bleibt schleierhaft.
Vielleicht ist es die Angst vor furchtbaren Vorkommnissen, die in ihrer Schrecklichkeit nicht greifbar sind, wie beispielsweise 9/11. Vielleicht aber auch die Angst davor, dass eine Unberechenbarkeit wie der Zufall in sonst strukturierte Leben eingreift und Chaos stiftet. Andere Erklärung: Verschwörungstheoretiker werden von Regierungen und Konzernen bezahlt, um durch wilde Theorien von eigentlichen Verschleierungen abzulenken.
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