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Verschläft die Oscars und geht ins Kino: Lisa Mertens

Keine Traumfabrik

30. Januar 2014

Gutes Kino ohne Goldjungen – Vorspann 02/14

Wirklich bedauerlich. Da glaubt man, die Golden Globe Awards seien ein Trophäenbarometer für die Academy Awards, im Volksmund Oscar-Verleihung genannt, und dann so was. Aus den unzähligen Kategorien der Golden Globes ging kein eindeutiger Abräumer hervor. Quer durch die Genres hielten männliche und weibliche Filmschaffende die goldene Weltkugel strahlend in die Kamera. Das Rätselraten, wer in diesem Jahr die meisten Goldjungen gelassen, freudig, tränenreich in Empfang nehmen wird, geht also weiter.„12 Years a Slave“ des Dreamteams McQueen – Fassbender oder „The Wolf of Wall Street” des Dreamteams Scorsese – DiCaprio?Oder doch eine Überraschung? Eine Überraschung wird es zumindest für die deutschen Filmschaffenden nicht geben. Weder Georg Maas mit „Zwei Leben“ noch Daniel Brühl als überzeugender Niki Lauda dürfen am 2. März am roten Teppich, der für Regisseure, Schauspieler und Produzenten noch immer das Maß aller Filmkritik bedeutet, von Anerkennung träumen. Dieses Vorrecht liegt in diesem Jahr allein bei der Traumfabrik Hollywood.

Sieht es denn so traurig aus in der deutschen Filmfabrik? Inhaltlich ohnehin, unken böse Zungen. Filme wie „Der Untergang“, „Das Leben der Anderen“, und „Barbara“, die für die Nominierung und den Wettbewerb in den letzten zehn Jahren ins Rennen gingen, sprühen wahrlich nicht vor bonbonbunter Lebensfreude. Aber, ja und? Ein bisschen nackte Realität hat noch nie geschadet und dass der deutsche Film auch anders kann und tut, zeigten 2013 wieder einmal die Festivals im Ruhrgebiet wie das Kinofest Lünen und die Duisburger Filmwoche und zeigen in diesen Wochen auch die Beiträge von „Stranger than Fiction“ sowie die frischen Neulingswerke in der armen sexy Hauptstadt vom 6.-16. Februar. Also Schluss mit diesem nach Anerkennung heischenden Schielen über den großen Teich und volle Konzentration auf gut gemachtes Kino. (Träume von kleinen, stilisierten Statuen sind natürlich sowohl anspornend als auch gerechtfertigt und sollten beizeiten auch mal erfüllt werden. Das soll gar nicht in Abrede gestellt werden.) So malte die Film- und Medienstiftung NRW mit nüchternen Zahlen im Jahresrückblick ein recht rosiges, ja sogar buntes Bild vom Kino in NRW. In der Rezeption und in der Produktion. Nicht nur, dass die Digitalisierung aller Lichtspielhäuser in NRW, eine notwendige Voraussetzung für das Kino von heute, im Jahr 2013 erfolgreich abgeschlossen wurde, auch die von der Filmstiftung geförderten Filme liefen mit großem Publikumszuspruch an.

Neben internationalen Koproduktionen wie „Nymphomaniac“ des Berufsprovokateurs Lars von Trier und „Only Lovers Left Alive“ vom Schubladenverweigerer Jim Jarmusch unterstützte die Filmstiftung NRW auch deutsche Filmproduktionen wie die epochale Romanverfilmung „Der Medicus“, die Komödie „Nicht mein Tag“ und die Arthouse-Erfolge „Hannah Arendt“, „Exit Marrakesh“ und „Vergiss mein nicht“. Man muss sich nichts künstlich schönreden, um allein an NRW zu bemerken, dass Kino hierzulande mitnichten trist daherschleicht. Von den zahlreichen unabhängigen Low- und No-Budget-Produktionen, in denen gebündeltes Kreativpotential steckt, das nur darauf wartet, sich in voller Breite zu entfalten, einmal ganz abgesehen.

Also darf man zur Oscarverleihung den Fernseher getrost auslassen, stattdessen einigermaßen ausschlafen und sich am nächsten Tag gemütlich einen guten Film im Kino anschauen. Ob er nun mit Trophäen überhäuft wurde oder auch nicht.

LISA MERTENS

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