Professor Ferdinand Dudenhöffer hatte es nicht leicht. Beim Publikum kam der Vorschlag des Automobilexperten von der Universität Duisburg-Essen, mit staatlichen Zuschüssen Perspektiven für die OpelanerInnen zu schaffen, nicht so gut an: „Was ist denn das für eine Perspektive? Dann müssen das ja wieder die Steuerzahler finanzieren“, regte sich einer der Zuschauer auf. Ein emotionales Stimmungsbarometer deutete sich schon an, als Co-Moderator Olaf Biernat vor der Diskussion in die Runde fragte, ob OpelanerInnen anwesend wären. Gekommen waren einige, ehemalige oder aktuelle MitarbeiterInnen des Werks in Langendreer. Alle einte die bittere Kenntnis, dass am 5. Dezember der letzte Opel bei ihrem Arbeitgeber vom Band rollen wird. Dabei war das Opelwerk mit bis zu 30.000 Arbeitsplätzen eine feste Säule in der Stadt.
Zehn Jahre Kampf bei Opel: Nicht alles war vergebens!
Gegen die Schließung, die sich spätestens im Jahr 2004 anbahnte, kämpfte die Opel-Belegschaft bald ein Jahrzehnt. Verhindern konnte sie die Schließung nicht, trotzdem sei der Kampf der OpelanerInnen nicht umsonst gewesen, wie Rainer Einenkel, der als Betriebsratsvorsitzender jahrelang mit an vorderster Front beteiligt war, erwähnte: „Ohne die Auseinandersetzung hätte das Werk zehn Jahre früher geschlossen werden können.“ Auf den Arbeitskampf blickte auch Bochums Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz zurück: „Ich erinnere mich an die Demo 2004 mit 20.000 Menschen, das sind Momente, die vergisst man nicht.“ Nach den zahlreichen Aktionen oder Veranstaltungen wie den wilden Streik 2004 oder das „Detroit-Projekt“ sei aber klar, dass nun endgültig Schluss ist: „Jetzt kommt es brutal nahe.“ Rainer Einenkel sah dagegen, jetzt, wo die Schließung feststeht, nach wie vor Opel als Ansprechpartner gefordert: „Opel ist jetzt erst mal in der Verantwortung, mit dem Geld, das sie hier gemacht haben, für Arbeitsplätze zu sorgen.“
„Vom nem Chef nichts gesehen“: Wut und Enttäuschung über Politik und Gewerkschaften
Auch Co-Moderator Olaf Biernart kannte die miese Stimmung: Wie in den letzten Jahren vor dem Werkstor von Opel sammelte er jetzt im Publikum wütende Stimmen für das Radio ein. Vor allem für die Gewerkschaften fand einer der Opel-Beschäftigten deutliche Worte: „Ich bin sehr enttäuscht, dass die Gewerkschaft nicht hier ist, die uns verraten hat. Wir sind verschaukelt worden – von der Politik wie von der Gewerkschaft.“ Neben der Gewerkschaft fehlten auch VertreterInnen der Landesregierung auf dem Podium, obwohl Ministerpräsidentin Hannelore Kraft die Frage nach dem Verbleib des Opelwerks mal als Chefsache ankündigt wurde. Auch das regte einen der Kollegen im Publikum auf: „Von nem Chef hab ich nichts gesehen.“
Entsprechend schlecht kamen Versuche der RednerInnen, positive Perspektiven für die OpelanerInnen aufzuzeigen, beim Publikum an. Beharrlich hielt man dagegen – mit dem einzigen, was man mit völliger Gewissheit weiß: „Sie können das Werk nicht mehr retten, das sagt Herr Einenkel auch.“ Wenn der Betriebsratsvorsitzende das schon sagt, muss man dies nach zehn Jahren Kampf wohl oder übel hinnehmen.
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