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Findet, es muss nicht unbedingt sch***e sein: Lisa Mertens

Impulsgeber

27. März 2014

Filme für das Ruhrgebiet – Vorspann 04/14

Kaum ein Begriff ist so schicksalhaft mit dem Ruhrgebiet verbunden wie der Strukturwandel. Seit über 150 Jahren unterzieht sich die Region regelmäßig einem Wandel wirtschaftlicher Strukturen. Kohle, Eisen und Stahl lösten um 1850 die Landwirtschaft ab und gaben dem Ruhrgebiet das Bild des Kohlenpotts, das noch immer in vielen Köpfen rumgeistert. Was dann ab den 60ern einsetzte, gehört in den Kanon des Selbstverständnisses im Ruhrgebiet. Dem großen Zechensterben folgten neue Wirtschaftssektoren mit neuen Arbeitsplätzen. Fahrzeug- und Maschinenbau, Dienstleistung sowie aus dem Boden sprießende Universitäten gaben der Region ein neues Bild. Dazu gestaltete die Internationale Bauausstellung Emscher Park ab 1989 das Ruhrgebiet als Wohnraum attraktiver. Ein Wandel, der seinesgleichen sucht, der jedoch nicht weit genug ging, weshalb das Ruhrgebiet mit seiner hohen Arbeitslosenquote im Bund als Schreckgespenst einer strukturschwachen Region herhält. So weit, so allseits und zur übergenüge bekannt… Doch dieses Bekannte hat sich tief in das Bewusstsein, in die Identität des Ruhrgebiets gegraben. Neben Bergbau-Folklore versucht sich nun eine Haltung im Stile des markigen Spruchs „Woanders ist auch scheiße“ (der sicherlich anderes meinte) einzuschleichen und Probleme zu einem Underdog-Stolz hochzustilisieren. Gleichwohl geht es auch anders: Ohne die Probleme zu negieren, sie vielmehr als Grundlage zu nehmen, lässt sich Neues schaffen, lässt sich eine vielfältigere Identität entdecken, ja, diese bereichern; besonders durch Kunst und Kultur. In Bochum beispielsweise eröffnen am 26.4. das Schauspielhaus Bochum und Urbane Künste Ruhr das Sommerfestival im Rahmen des Projektes „This is not Detroit“, das über unterschiedlichste Kunstformen zusammen mit den Bochumer BürgerInnen aktiv eine Zukunft, eine Identität nach der Ära Opel entwerfen möchte. Zum Programm gehört u.a. die Eröffnung des Gemeinschaftsgartens Grüne Bühne in Zusammenarbeit mit dem Gemeinschaftsgarten e. V. und dem Festival n.a.t.u.r.

Im Bereich Kino geht das Filmfestival „blicke“ jährlich dem Inneren des Ruhrgebiets auf den Grund, bleibt dabei nicht bei bloßer Dokumentation stehen, sondern eröffnet neue Perspektiven. Mit Dokumentarfilmen, Experimentalfilmen und weiteren Formaten bündelt das Festival viele subjektive Blicke und nähert sich so der Identität der Region an. Wie andere Städte mit wirtschaftlichen Veränderungen umgehen, unter ihnen leiden, aber auch neue Wege gehen und ihre Identität nicht an Probleme knüpfen, dafür gibt das Dortmunder Kino sweetSixteen Beispiele. Zum 15. Mal kuratiert das Filmmuseum Düsseldorf zusammen mit der Architektenkammer NRW die Reihe „Architektur und Film“, die nun seit einigen Jahren auch im Programm des gemütlichen Kinos im Depot ihren Platz findet. Vier Filme präsentieren moderne Geisterstätte, arbeiten ihre Probleme heraus, zeigen festgefahrene Strukturen wie auch hoffnungsvolle Dynamik auf. Von der Doku „Das Venedig Prinzip“, die das Paradoxon von rückgängiger Urbanität und Tourismus-Boom problematisiert, über „Wolfen“ und „Häuser für alle“, die unterschiedliche Szenarien angesichts modernem Städtebau gestalten, bis hin zu „Detropia“, in der Aktivisten die Stadt Detroit nicht dem wirtschaftlichen Verfall überlassen wollen, sondern innovative Räume schaffen. Filme dieser Art können einen neuen Blickwinkel schaffen für unsere Region. Auch wenn andere Regionen andere Probleme haben, auch wenn Bochum, bzw. das Ruhrgebiet nicht Detroit ist. Der Impuls ist wichtig.

Lisa Mertens

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