Das Filmbiz präsentierte sich 2017 eher unspektakulär. Klar war da der Beef um Netflixpremieren in Cannes, Harvey Weinstein und #Metoo und Disneys Übernahme von Fox. Außerdem gab es einige traurige Abgänge zu verzeichnen, darunter Roger Moore, Jerry Lewis, Jeanne Moreau, Kameralegende Michael Ballhaus oder Charakterkopf Andreas Schmidt. Wer auf die Leinwände blickte, erlebte dagegen ein einziges Déjà-vu: Sequels, Prequels, Reboots, Remakes, Spin-offs – was für 2016 galt, stimmte auch 2017. Die deutschen Kinocharts der zuschauerstärksten Filme des Jahres werden aktuell von „Fack ju Göthe 3“, „Ich, einfach unverbesserlich 3“ und „Fifty Shades of Grey 3“ angeführt. „Star Wars – Die letzten Jedi“ läuft erst an, während ich diese Zeilen schreibe.
Es war in diesem Jahr aber nicht alles mit Popcorn gestopfte und Nachodipp bekleckerter Unterhaltungsbrei. Ridley Scotts „Alien: Covenant“ konnte der Reihe neue Facetten abgewinnen und machte die Filmgeschichte um eine komplexe und verstörende Performance von Michael Fassbender als Androide reicher. Denis Villeneuves „Blade Runner 2049“ strapazierte mit langer Laufzeit, experimenteller Ästhetik, philosophischem Ansatz und Dialogarmut das Mainstreampublikum und schaffte so den Spagat zum Arthouse. Das Programmkino war in Sachen Diversität 2017 gut aufgestellt. Mit „Moonlight“, „Hidden Figures“, „Loving“, „Fences“ oder dem Überraschungserfolg „Get Out“ von Jordan Peele kam vielgestaltiges Black Cinema mit überwiegend schwarzer Cast und immerhin einigen schwarzen Regisseuren auf die Leinwand. Auch um die Geschlechterdiversität war es 2017 nicht schlecht bestellt. In der zweiten Jahreshälfte dominierten in unserer Rubrik „Film des Monats“ Regisseurinnen. Darunter die Ungarin Ildiko Enyedi, die für „Körper und Seele“ den Goldenen Bären der Berlinale erhielt, Valeska Griesebach mit „Western“, Sofia Coppola mit „Die Verführten“ sowie „Detroit“ von Karthyn Bigelow – die einzige Frau, die bisher den Regieoscar erhielt. Nicht dabei war Patty Jenkins „Wonder Woman“, der aber als feministischer Blockbuster durchgeht und breit diskutiert wurde.
Und wie wird es sonst 2018 weitergehen? Welche künftigen Regiewunderkinder gerade in der Mache sind, werden uns erst die nächsten Jahrzehnte offenbaren. Aber die großen Produktionen gehen schon nicht mehr als Fehler in der Matrix durch. Sie scheinen frei nach dem namenlosen Erzähler in „Fight Club“ wie die Kopie einer Kopie einer Kopie. In der Pipeline sind zwei X-Men-Filme, „Avengers 3: Infinity War“, Fortsetzungen von „Pacific Rim“, „Jurassic World“ und „Deadpool“, Neuauflagen von „Tomb Raider“ und „Predator“, Spin-offs wie „Aquaman“ oder „Han Solo“. Dabei kann der Kopf gut abgeschaltet werden. Aber abseits dieser Mammut-Events erwarten uns auch 2018 wieder cineastische Überraschungen, da bin ich optimistisch. Vor allem in den vielen kleinen Lichtspielhäusern, die mit ihrem Repertoire, Sonderreihen und Diskussionsrunden unermüdlich die hiesige Kinokultur bereichern, auch wenn der Lohn der Mühen oft zu karg ist. Der im Dezember abgehaltene Kongress des Bundesverbands Kommunale Filmarbeit in Leverkusen stand dann auch unter dem semi-ironischen Motto „Rezepte für halbvolle Kinosäle“. Wer dabei helfen will, macht am besten einen guten Vorsatz daraus, der da lautet, 2018 mehr ins Kino zu gehen.
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