Die beiden Freunde Felix (Langston Uibel) und Leon (Thomas Schubert) kommen an die Ostsee - und müssen feststellen, dass in ihrem Ferienhaus schon jemand wohnt. Nadja (Paula Beer), vermeintlich Russin, verbringt hier ihren Sommer. Felix freut sich über die unerwartete Mitbewohnerin und ihren Urlaubsschwarm Devid (Enno Trebs). Aber den Schriftsteller Leon, der nicht zum Baden, sondern zum Schreiben hierhergekommen ist, nervt das alles: die Leichtigkeit, die Freundlichkeit, die Zugewandtheit der drei und ihre Lebenslust. Er hat keine Zeit dafür, er muss seinen zweiten Roman fertig schreiben. Anders als ursprünglich geplant, wolle er einen Film über die Liebe machen, erzählte Christian Petzold im Frühjahr 2020. Inspiriert von den französischen Sommerfilmen Eric Rohmers lässt er sich in „Roter Himmel“ auf eine junge Viererkonstellation ein, in der gerade derjenige, der als Künstler vom Leben inspiriert sein sollte, wie durch eine Wand von den Anderen getrennt ist. Nadja (Paula Beer) steht fest im Leben und versprüht die reinste Lebensfreude. Sie versucht spielerisch, mit leichter Ironie, den abweisenden, im kindlichen Trotz verharrenden Leon (wunderbar zwiegespalten gespielt von Thomas Schubert) aus seiner Verschanzung hervorzulocken. Nicht nur Nadja, sondern der ganze Film wirkt spielerisch und leicht. Das gilt auch für die Bilder von Hans Fromm – er war der Kameramann aller Filme des Regisseurs, doch selten verströmten seine Bilder eine solche Leichtigkeit – sowie für das oft libidinöse Spiel der Protagonist:innen. Auch die gemeinsamen Essen sind spielerisch inszeniert. Und nicht zuletzt die Filmmusik beziehungsweise die Musik im Film – der psychedelische Sommersong „In my mind“ der österreichischen Geschwisterband Wallners oder die Musik von Tarwater, die Nadja auf dem Plattenteller liegen hat – schweben durch die Räume und die Landschaft.
Margate an der Nordküste von Kent. Hier steht das „Empire“, ein Kino aus den 1930ern, dessen Art-Deco-Glanz in den 1980ern, wo die Handlung angesiedelt ist, nostalgisch angestaubt wirkt. Sam Mendes erzählt in „Empire of Light“ von Familie, genauer von der „Familie, die wir uns erschaffen, um durchs Leben zu kommen“. Und damit ist auch schon die Handlung dieses Dramas umrissen: Nach längerer Zeit kehrt Hilary (Olivia Colman) zurück ins Empire, den Filmpalast in der Kleinstadt am Meer. Ihre Kolleg:innen erkennen sie kaum wieder, Hilary ist seelisch erkrankt, fragil, wirkt entrückt und unnahbar. Selbst dem übergriffigen Verhalten ihres Chefs (Colin Firth) begegnet sie emotionslos. Zugleich sehnt sich Hilary eben danach: wieder mehr zu spüren und zu fühlen. Dem Filmvorführer Norman (Toby Jones) gelingt es ebenso wenig, Hilary zu ermuntern wie Neil, dem stellvertretenden Geschäftsführer und Clown der Spielstätte. Erst als Hilary Stephen (Michael Ward) kennenlernt, der neu im Kino anheuert, ist Besserung in Sicht. Zwischen den beiden Außenseitern, sie von inneren Dämonen befangen, er Erniedrigung und Rassismus ausgesetzt, erwächst etwas Besonderes. „Empire of Light“ ist eine Liebeserklärung an das Kino, die Mendes mit eigenen Erinnerungen ebenso anreichert wie mit der Musik seiner Jugend. Für den Score wiederum zeichnen Trent Reznor und Atticus Ross mit bewährt besonderer Handschrift verantwortlich.
Außerdem neu in den Kinos: „Loriots große Trickfilmrevue“, Brandon Cronenbergs Ferien-Alptraum „Infinity Pool“, Renée Websters freundliche Stripper-Story „Das reinste Vergnügen“, Joya Thomes Social-Media-Studie „One in a Million“, Kyle Marvins prominent besetzte Fan-Komödie „Brady's Ladies“ und Ruth Olshans originelle Vater-Tochter-Geschichte „Himbeeren mit Senf“.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Küsse bei schlechtem Wetter
Die Filmstarts der Woche
Noten sind nicht maskulin
Das Komponistinnenfestival Her:Voice in Essen – Festival 05/24
Von Kant bis in die Unterwelt
Zarte und harte Comicgeschichten – ComicKultur 05/24
Bildung für mehr Miteinander
Pflichtfach Empathie – Europa-Vorbild Dänemark
Die Gefahren der Liebe
„Die Krönung der Poppea“ an der Oper Köln – Oper in NRW 05/24
Soll das Werk den Meister loben
49. Mülheimer Theatertage – Prolog 05/24
Der Kurzfilm im Rampenlicht
Die Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen 2024 – Vorspann 05/24
„Eher die Hardcore-Variante von Shaw“
Regisseur Damian Popp über „Pygmalion – My Fairest Lady“ am Schlosstheater Moers – Premiere 05/24
Der Ring und ein schwarzer Berg
Wagner-Kosmos in Dortmund zu „Mythos und Wahrheit“ – Oper 05/24
Verfassungsbruch im Steuer-Eldorado
Teil 1: Leitartikel – Die Reichsten tragen hierzulande besonders wenig zum Gemeinwohl bei
No hope im Paradise
Arbeitswelten im Fokus einer Lesung in Dortmund – Literatur 04/24
„Das kann einem einen kalten Schauer bringen“
Direktor Tayfun Belgin über die Gottfried Helnwein-Ausstellung im Osthaus Museum Hagen – Sammlung 04/24
Von der Straße ins Theater
„Multiversum“ am Theater Oberhausen – Prolog 04/24
Meister des Sensenhumors
Cartoonist Michael Holtschulte präsentiert seine Werke bei kunstwerden in Essen
Die mit dem Brokkoli kuschelt
Mina Richman in Recklinghausen – Musik 04/24
Auf Tuchfühlung
Indie-Rocker LEAP in Dortmund – Musik 04/24
Utopie und Verwüstung
„The Paradise Machine“ in Dortmund – Ruhrkunst 04/24
„Die Realitäten haben sich verändert“
Die Kuratorinnen Özlem Arslan und Eva Busch über die Ausstellung zur Kemnade International in Bochum – Sammlung 04/24
Wiederentdeckt
Werke von Amerikas erster schwarzer Klassikerin in Essen – Klassik an der Ruhr 04/24
Die Seele geraubt
„Hello Dolly“ am Gelsenkirchener MiR – Musical in NRW 04/24
„Ich wollte die Geschichte dieser Mädchen unbedingt erzählen“
Karin de Miguel Wessendorf über „Kicken wie ein Mädchen“ – Portrait 04/24
Tödlicher Sturm im Wurmloch
„Adas Raum“ am Theater Dortmund – Prolog 04/24
Das Unsichtbare sichtbar machen
Choreographin Yoshie Shibahara ahnt das Ende nahen – Tanz in NRW 04/24
Vorläufige Utopien
Danny Dziuk & Verbündete im Dortmunder Subrosa – Musik 04/24
„Mehr Freude und mehr Liebe, was anderes hilft nicht“
Musikerin Dota über die Dichterin Mascha Kaléko und den Rechtsruck in der Gesellschaft – Interview 04/24