Es: Kapitel 2
USA 2019, Laufzeit: 170 Min., FSK 16
Regie: Andy Muschietti
Darsteller: Bill Skarsgård, James McAvoy, Jessica Chastain
Feel Good Horror
Let’s Kill This Fucking Clown!
„Es Kapitel 2“ von Andy Muschietti
Der Anfang großartig: Aus dem Off referiert der erwachsene Bill (James McAvoy) über das Wesen der Erinnerung, die Kamera fährt dazu den Ort der Geschehnisse ab, wo vor 27 Jahren Schreckliches passierte, als eine Handvoll Jugendlicher auf unsanfte Weise ihre Kindheit verloren und vom Wert des Zusammenhalts erfahren hat.
Dann folgen wir einem gut aufgelegten schwulen Paar über die Kirmes. Wenig später werden die zwei Männer auf äußerst brutale Art von ein paar Halbstarken verprügelt. Blut spritzt, jeder Schlag, jeder Tritt ist spürbar. Regisseur Andy Muschietti macht ernst. Eines der Opfer landet im Fluss, Pennywise angelt ihn sich heraus und feiert sein Comeback.
Etwas Großes kündigt sich hier an. Schicksal. Epik. Wucht. Ein Auftakt, ein atmosphärischer Sog, der ein besonderes Stück Horrorkino verspricht. Kompromisslos, derbe und getragen von effektiver Komposition aus Bild und Ton. So könnte es weiter gehen. Geht es aber nicht.
Mike wohnt als einziger noch in der verfluchten Heimatstadt. Er erkennt die Zeichen und ruft die Mitglieder des Clubs der Loser zurück nach Derry, damit sie erneut vereint dem Bösen entgegentreten. So, wie es ihnen ihr Blutschwur auferlegt. Neben weiterem Schrecken, zieht nun auch Humor ein. Die Schicksalsgefährten treffen sich im Restaurant. Muschietti gelingt hier noch ein besonderer Augenblick emotionaler Größe in der nostalgischen, freudigen Wiederannäherung, die unheilschwanger überschattet ist von Erinnerung und Verdrängung. Der Schicksalsbund, vereint in Schwur und Angst. Zugleich ist Richie jetzt bereits als – zweiter – Clown etabliert. An ihm, dem Schwätzer, der als Stand Up-Comedian arbeitet, spiegelt sich die Einkehr des Bösen in den 160 Minuten besonders deutlich. So weit, so gut.
Dann die ersten Visionen der Angst: Digitaltrash. Den kennt man schon aus dem ersten Teil, und das ist sicherlich Geschmacksache. Derlei Spielerei aber entzieht dem Film ein gutes Stück die Ernsthaftigkeit – die dunkle Exposition bleibt am Ende nichts als eine falsche Fährte. Muschietti geht einen Schritt zu weit: Richie sorgt dafür, dass man nach dem Grusel lacht – die digitalen Effekte sorgen dafür, dass man schon während des Grusels lacht.
Nein, das hier will nicht „Shining“ sein, sondern mutiert recht schnell vom atmosphärisch dichten Gruseldrama zu halbgarem Feel Good-Horror. Und wenn der zum Ende hin mit überbordenden Chorälen unterlegt wird, die an „Der Herr der Ringe“ erinnern, offenbart sich endgültig, dass die Größe nur noch behauptet ist. Das ist nicht nur dem wachsenden Missverhältnis von Horror und Humor geschuldet: Im mittleren Drittel entgleitet Muschietti zudem völlig der Spannungsbogen. Der Regisseur weiß einzelne Szenen zu kreieren, in denen sich (amüsiert) die Nackenhaare aufstellen. Doch ihm gelingt kein Fluss, der über die Gesamtlaufzeit mitreißt. Der Film, seine Narration wirkt so, als stamme er aus den 80ern und wäre schlecht gealtert. Damit mag er der Vorlage Respekt zollen und der Zeit, zu der der Stoff entstand und schon einmal verfilmt wurde. Dem heutigen Publikum aber tut er damit keinen Gefallen.
Was bleibt, ist eine zu lang geratene Aneinanderreihung diverser gelungener Momente, die getragen wird von einem tollen Cast (neben McAvoy u.a. Jessica Chastain und Bill Hader) – die Ähnlichkeit zu den Jungdarstellern aus dem ersten Kapitel ist zum Teil frappierend. Doch wirklich Gänsehaut bekommen wir bloß beim Gastauftritt von Stephen King. Hach ja, der Meister und die Verfilmungen seiner Meisterwerke.
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